Montag, 20. Dezember 2010

Shadowlands

Shadowlands

Der andere nickte zustimmend und musterte Bella mit wachsamen Augen. „Was meinst du? Wenn er nicht mehr so ein Schönling ist, dann will sie ihn vielleicht nicht mehr. Oder was meinst du, Süße?“, richtete er das Wort wieder an Bella.
Doch an ihrer Stelle antwortet der Blonde wieder. „Ich denke, da könntest du Recht haben. Außerdem sollten wir ihn mal auf seinen Platz verweisen und sein Ego ein wenig stutzen. Ist ja unerträglich der Kerl.“
Noch bevor Edward oder Bella hätten reagieren können, hatte der Braunhaarige Edward an der Kehle gepackt und gegen das Regal hinter ihm gestoßen. Bella war erschrocken zur Seite gesprungen, während ihr zugleich ein Quieken entwichen war.
Der Blonde grinste belustigt und kam währenddessen langsam mit einem breiten, langen Jagdmesser bewaffnet auf Edward zu, der jedoch viel mehr damit beschäftigt war, sich aus dem Griff des anderen zu befreien.
Bella wollte dazwischen gehen, aber die Angst hatte sie dazu verdammt, stehen zu bleiben. Regungslos. Sie starrte entsetzt das Messer an, das sich langsam ihrem Mann näherte.
Sie wollte schreien, dazwischen gehen, ihren Mann irgendwie verteidigen, aber sie konnte nicht.
Als der Blonde das Messer an Edwards Wange ansetzte, sah er nochmal zu Bella, die ihm sehr zu seinem Vergnügen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. „Sieh genau hin. Das ist das letzte Mal, dass du ihn so sehen wirst.“, lachte er und drückte das Messer langsam in das Fleisch, nachdem er es für eine Sekunde betrachtete, wie ein Künstler die noch leere Leinwand.
Verflucht, schrei doch endlich! Tu etwas. Steh nicht so da!
Sie schrie sich selbst in Gedanken an, aber nichts passierte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und ihr Mund ausgetrocknet.
Bella blickte in die grünen Augen ihres geliebten Mannes, in denen sie die Angst und die Schmerzen sah, die er empfand, der gerade vor ihr verletzt wurde. Und sie konnte sich nichts vormachen. Es war wahrscheinlich, dass sie beide das nicht überleben würden. Die Täter wären dumm, wenn sie sie leben ließen.
Ihr Mund formte stumm die Worte ‚Nein‘ und ‚Stopp‘, aber niemand hörte sie.
Sie sah erstarrt zu, wie ihr Mann mit einem Messer verunstaltet wurde und um sein Leben kämpfte, und sie tat nichts. Seine Augen zeigten so viel Schmerz. Sie konnte die Schmerzensschreie hören, obwohl sie seinen Mund nie verließen.
Schweißgebadet wachte sie genauso wie die letzten Wochen von Alpträumen geplagt auf. Sie keuchte und Tränen liefen über ihre Wangen. Nein, er war nicht tot. Er war nicht tot, schrie sie in Gedanken immer wieder, er lebt.
Wie um sich selbst zu versichern, drehte sie sich zur Seite, nur um von einer leeren Betthälfte förmlich ausgelacht zu werden.
Nein, er lebt. Wahrscheinlich ist er im Bad.
Schnell machte sie sich auf den Weg in Richtung des Badezimmers.
Dort hörte sie auch die für ihn typischen Geräusche. Sie atmete erleichtert aus, obwohl sie es ja gewusst hatte. Aber der Alptraum hatte so echt auf sie gewirkt, dass sie ihn beinahe für die Realität gehalten hätte.
Leise klopfte sie an die Tür. „Komm rein.“, kam sofort als Antwort.
Zufrieden und erleichtert erblickte sie ihren Mann vor dem Spiegel. Irgendetwas musste ihn abgelenkt haben während des Rasierens, da seine linke Wange über und über mit Klopapierstückchen war. Er drehte sich leicht zu ihr und lächelte sie schief an. Als er sich wieder dem Spiegel zuwandte, um sich seinen Bartstoppeln weiter zu widmen, schnitt er sich erneut an den Klingen seines Rasierers.
Seltsam. Diesen Schmerz verzerrten Gesichtsausduck hatte sie noch nie bei ihm gesehen. Seltsam.

„Alice, nicht schon wieder.“
„Aber, Bella, du hast doch selbst bemerkt, dass er sich anders verhält. Er ist nicht der, für den du ihn hältst.“
Bella standen bereits die Tränen in ihren Augen. Wie konnte ihre beste Freundin, die Schwester ihres Mannes, so etwas sagen?
Sie hatte doch nur erzählt, dass sie sich um ihn sorgte, seit er seinen Job verloren hatte. Es schien ihm überhaupt nichts auszumachen. Als ob es total unwichtig sei.
„Bella.“ Sie kannte diesen Ton ihrer Schwägerin nur zu gut. Jetzt kam wieder das Gespräch. Noch bevor Alice ein weiteres Wort sagen konnte, unterbrach Bella sie.
„Fang nicht wieder damit an.“, zischte sie.
Alice blickte sie mit ihren großen, grünen Augen traurig und zugleich besorgt an. „Aber Bella-“
„Oh, es ist schon spät. Ich muss los.“ Schnell erhob Bella sich von dem Stuhl und eilte aus der Küche.

„Nein, Officer! Wissen Sie, ich habe nicht wirklich darauf geachtet, wer gerade meinen Mann erst gequält und dann umgebracht hat. Wieso sollte ich auch?!“ Ihre Stimme hallte durch das Polizeipräsidium.
„Miss-“
„Misses. Gehört?! Misses. Nicht Miss. Mein Name ist Mrs. Isabella Marie Cullen.“
„Mrs. Cullen, es tut mir wirklich leid, dass Ihr Mann nicht mehr unter uns weilt. Ich wollte auch nicht den Anschein erwecken, als würde ich glauben, dass Sie Ihren Mann nicht geliebt haben-“
„Ich liebe ihn immer noch!“, zischte sie und ihr Blick ging hektisch durch den Raum. „Wo ist er hin?“
Mit einem Schlag war sie leichenblass. „Edward?“ Ihre Stimme zitterte verdächtig und ihr Atem ging schneller. Ihr wurde schlecht und alles drehte sich plötzlich um sie. „Edward?!“
„Mrs. Cullen, Ihr Mann kann Ihnen nicht antworten. Er ist tot und Sie haben gerade, so wie ich das sehe, einen Nervenzusammenbruch. Also beruhigen Sie sich bitte. Atmen Sie tief durch.“
Als er, vermutlich um sie zu beruhigen, eine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie heftig zusammen und sprang von dem Stuhl auf.
„Fassen Sie mich nicht an! Bringen Sie mich zu meinem Mann! Ich will zu meinem Mann. Sofort! Edward!“

Wieder wachte sie schweißgebadet von einem Alptraum auf.
Warum hatte sie diese schrecklichen Alpträume?
Sie schüttelte ihren Kopf, während sie spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen.
„Schatz?“, fragte die verwirrte und verschlafene Stimme ihres Mannes. „Geht es dir gut?“
Er hatte die Frage noch nicht ganz fertig gestellt, da war sie bereits zu ihm herumgewirbelt und hatte sich an ihn geklammert.
„Versprich mir, mich niemals allein zu lassen, ja?“, wimmerte sie an seinem Hals. „Ich würde das wahrscheinlich nicht heil überstehen.“
Er seufzte leise und zog sie in seine Arme. „Liebes, ich kann dir das nicht versprechen, jedenfalls nicht mit gutem Gewissen. Ich weiß doch nicht, was in Zukunft passiert.“
„Trotzdem. Bitte.“
„Bella.“ Er machte eine Pause und atmete tief durch. „Was ist, wenn mein Flugzeug abstürzt? Oder ich einen Unfall mit dem Auto habe? Oder von einem Bus überfahren werde?“
„Ganz einfach. Du verlässt das Haus nicht mehr.“
Er lachte daraufhin. „Ich kann doch nicht für den Rest meines Lebens im Haus bleiben.“
„Oh doch. Du weißt ja gar nicht, was man heutzutage alles für Möglichkeiten hat.“
Er hörte auf zu lachen und sah sie ernst an. „Liebes, sei vernünftig. Du könntest auch ohne mich glücklich werden. Vielleicht nicht sofort, aber irgendwann würdest du weiterleben.“
Sie sah ihn wenig überzeugt an.
„In Ordnung. Ich verspreche dir, mich niemals freiwillig in Lebensgefahr zu begeben, und dafür versprichst du mir, dass du versuchst, wieder glücklich zu werden, sollte ich – Gott bewahre – vor dir sterben. Okay?“
Es war zwar nicht ganz das, was sie wollte, aber mit dem Kompromiss konnte sie leben.

„Dad, ich bin wieder schwanger.“
Verwirrt runzelte Charlie seine Stirn. Wieder?
Aber statt seine Gedanken auszusprechen, behielt er sie wohl weislich für sich.
„Ich gratuliere. Im wievielten Monat?“
„Das sieht man doch. Im siebten. Wie konnte dir das entgehen?“
Plötzlich drehte sie sich zum Fenster und fing an, zu lachen.
„Jayson ist schon so groß. Wenn er so weiter wächst, wird er noch größer als sein Vater, nicht wahr?“
Charlie nickte einfach und setzte schnell ein Lächeln auf, bevor seine Tochter seinen mehr als verwirrten und besorgten Ausdruck sehen konnte.
Sein Blick wanderte aus dem gekippten Fenster, wo er nichts weiter als seinen Vorgarten sah.

„Du hast schon wieder vergessen zu tanken!“, meckerte Edward.
Bella strich sich gestresst durch die Haare. „Es tut mir leid. Aber ich hab heute Morgen den Wecker nicht gehört und war dann zu spät auf der Arbeit. Mein Chef hat mich deswegen Überstunden machen lassen und dann musste ich schnell einkaufen, bevor die Läden schließen. Ich hab das Tanken einfach vergessen.“ Mürrisch grummelte Edward eine unverständliche Antwort.
Plötzlich fiel ihr etwas ein. Hektisch griff sie nach ihrer Tasche und kramte wild darin herum.
„Was suchst du denn?“
Während sie weiter ihre Tasche durchforstete, antwortet sie ihm: „Ich… ich glaube, ich hab das Geschenk vergessen.“
„Das kann nicht dein Ernst sein.“
Edward klang eindeutig genervt.
„Wir müssen doch sowieso tanken, oder? Dann kaufen wir dort was Kleines und das richtige Geschenk geben wir ihr dann das nächste Mal.“
„Meinetwegen. Aber du erklärst ihr, warum wir zu spät  und mit dem falschen Geschenk auftauchen.“
„Ja, ja.“
Die Fahrt bis zur Tankstelle verlief still.
„Ich tanke und komm gleich nach. Du kannst ja drin schonmal nachgucken, was sie da haben. Vielleicht irgend so ein kleiner Stoffbär. Sowas mögen Kinder doch, oder?“
Sie nickte, während sie sich schnell auf den Weg in die Tankstelle machte.
Ihr suchender Blick fand relativ schnell das Regal mit den Stofftieren. Sie seufzte. Es waren so viele. Und überteuert. Aber was erwartete sie auch an einer Tankstelle? Hätte sie doch einfach heute Morgen den blöden Wecker gehört. So viel zum Thema ‚schnurrender Wecker‘.
Sie hörte das Glöckchen an der Tür, drehte sich um und sah ihren Mann, der offensichtlich nach ihr suchte.
Sie kniete vor einem der Regale. Sie hatte die Auswahl immerhin schon auf drei kleine Stofftiere beschränkt. Die finale Wahl könnte dann Edward treffen. Schnell richtete sie sich auf.
Edward kam zu ihr, immer noch mit dem genervten Gesichtsausdruck. „Wir haben es eilig, Bella. Hast du etwas gefunden?“
Sie nickte und lächelte ihn kurz an. Sie zog ihn an seinem Arm auf die Knie und zeigte ihm die drei Stofftiere, die es in die engere Auswahl geschafft hatten.
Hinter ihnen läutete erneut die Türklingel.
Edward betrachtete die Stofftiere und zuckte mit den Schultern. Ja, er war mal wieder eine große Hilfe.
Bella wollte gerade nach dem blauen Teddy greifen, als sie einen Schuss hörte. Erschrocken und entsetzt sah sie zu Edward, der aber nicht sie, sondern den Tresen im Blick hatte.
Sie wollte gerade fragen, ob sie gerade wirklich einen Schuss gehört hatte, als Edward ihr schnell eine Hand auf den Mund presste. Mit der anderen Hand zog er sein Handy aus der Hosentasche und wählte den Notruf. Es dauerte nicht lang, bis jemand am anderen Ende sich meldete.
Edward atmete tief durch, bevor er schnell und möglichst leise antwortete: „Die Tankstelle am Highway wird gerade überfallen. Ein Schuss ist gefallen. Meine Frau und ich sitzen hier fest. Die Kerle sind noch hier-“
„Na, wen haben wir denn da?“, unterbrach ihn eine Stimme hinter sich.
Bellas vor Schreck geweitete Augen hatte er gar nicht gesehen. Er hatte sich viel mehr auf das Telefonat konzentriert. Als er hinter sich den einen maskierten Kerl sah, wusste er sofort, dass es für sie definitiv nicht gut aussah.
Schnell sprang er auf seine Füße und stellte sich vor Bella. „Lasst uns in Ruhe. Ihr habt das Geld. Verschwindet.“
Es war ein Versuch. Er wusste, dass es sehr wahrscheinlich sinnlos war, aber immerhin hatte er es versucht.
Der Kerl, der ihm gegenüber stand, hatte eine von diesen dämlichen Scream-Masken auf. Er hatte blondes Haar und war bestimmt einen Kopf größer als Edward.
„Na na. So spricht man nicht mit jemandem, der einem weitaus überlegen ist. Das könnte dich dein Leben kosten, Rotschopf.“, drohte ihm eine Stimme links von ihm.
Er drehte seinen Kopf und erblickte einen Kerl, der ebenfalls eine Maske trug. Er hatte braune Haare und war in etwa so groß wie Edward.
Verfluchte Scheiße, wie viele von denen waren denn in diesem Laden?
Er hätte wirklich besser aufpassen sollen. Bella stand inzwischen auf zittrigen Beinen hinter ihm.
Die Bewegung erinnerte die Kerle wieder daran, dass Bella noch da war. „Na Süße? Hast du das Großmaul hier nicht satt? Wir könnten viel Spaß zusammen haben.“, lachte der Braunhaarige und machte einen Schritt auf sie zu.
Sofort schob Edward sich in seinen Weg.
„Fass sie an und ich breche dir jeden einzelnen deiner erbärmlichen Knochen, verstanden?!“, zischte er. Bella sah entsetzt zu ihrem Mann. Sah er denn nicht, dass das alles nur noch schlimmer machte? Wenn er sie auch noch verärgerte, würde das hier schlimmer enden, als es sowieso schon der Fall war.
Sie griff nach seinem Arm und hielt ihn fest. „Edward, nicht.“, wimmerte sie leise.
Nicht leise genug, denn der Braunhaarige schenkte ihr sofort wieder seine Aufmerksamkeit. Sie hätte wetten können, dass er gerade ein dreckiges Grinsen auf dem Gesicht hatte.
„Siehst du, Rotschopf. Sie will mich. Also geh aus dem Weg.“ Er machte einen bedrohlichen Schritt auf Edward zu, der jedoch völlig unbeeindruckt stehen blieb und sich nur noch größer machte. All seine Muskeln waren bis zum Zerreißen gespannt.
„Weißt du, Nick,“, fing der Blonde an, „ich frage mich gerade, warum so ein hübsches Ding so einen Kerl hat. Ich meine, mehr als gutes Aussehen hat der doch eh nicht. Geld vielleicht noch, aber so wie die aussehen… eher unwahrscheinlich.“
Der andere nickte zustimmend und musterte Bella mit wachsamen Augen. „Was meinst du? Wenn er nicht mehr so ein Schönling ist, dann will sie ihn vielleicht nicht mehr. Oder was meinst du, Süße?“, richtete er das Wort wieder an Bella.
Doch an ihrer Stelle antwortet der Blonde wieder. „Ich denke, da könntest du Recht haben. Außerdem sollten wir ihn mal auf seinen Platz verweisen und sein Ego ein wenig stutzen. Ist ja unerträglich der Kerl.“
Noch bevor Edward oder Bella hätten reagieren können, hatte der Braunhaarige Edward an der Kehle gepackt und gegen das Regal hinter ihm gestoßen. Bella war erschrocken zur Seite gesprungen, während ihr zugleich ein Quieken entwichen war.
Der Blonde grinste belustigt und kam währenddessen langsam mit einem breiten, langen Jagdmesser bewaffnet auf Edward zu, der jedoch viel mehr damit beschäftigt war, sich aus dem Griff des anderen zu befreien.
Bella wollte dazwischen gehen, aber die Angst hatte sie dazu verdammt, stehen zu bleiben. Regungslos. Sie starrte entsetzt das Messer an, das sich langsam ihrem Mann näherte.
Sie wollte schreien, dazwischen gehen, ihren Mann irgendwie verteidigen, aber sie konnte nicht.
Als der Blonde das Messer an Edwards Wange ansetzte, sah er nochmal zu Bella, die ihm sehr zu seinem Vergnügen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. „Sieh genau hin. Das ist das letzte Mal, dass du ihn so sehen wirst.“, lachte er und drückte das Messer langsam in das Fleisch, nachdem er es für eine Sekunde betrachtete, wie ein Künstler die noch leere Leinwand.
Verflucht, schrei doch endlich! Tu etwas. Steh nicht so da!
Sie schrie sich selbst in Gedanken an, aber nichts passierte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und ihr Mund ausgetrocknet.
Bella blickte in die grünen Augen ihres geliebten Mannes, in denen sie die Angst und die Schmerzen sah, die er empfand, der gerade vor ihr verletzt wurde. Und sie konnte sich nichts vormachen. Es war wahrscheinlich, dass sie beide das nicht überleben würden. Die Täter wären dumm, wenn sie sie leben ließen.
Ihr Mund formte stumm die Worte ‚Nein‘ und ‚Stopp‘, aber niemand hörte sie.
Sie sah erstarrt zu, wie ihr Mann mit einem Messer verunstaltet wurde und um sein Leben kämpfte, und sie tat nichts. Seine Augen zeigten so viel Schmerz. Sie konnte die Schmerzensschreie hören, obwohl sie seinen Mund nie verließen. Irgendwann kniff er sie zusammen. Seine Kraft ließ deutlich nach, seine Bemühungen, sich aus dem Griff des Kerls zu befreien, ließen nach.
Er bekommt keine Luft!
Sie wollte so dringend schreien und die Kerle von ihm ablenken, aber sie stand wie angewurzelt an dieser verfluchten Stelle.
Als der Blonde mit dem Schnitt zufrieden war, machte er einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk. „Na wenn das mal nicht eine schöne Narbe gibt.“, lachte er. Der Braunhaarige stimmte mit ein.
Edwards Griff um dessen Hände wurde immer schwächer.
Sie hörte wieder das Läuten der Türglocke und starrte den Kerl an, der die Tankstelle betreten hatte. Er gehörte zweifelsohne zu den zwei Typen vor ihr.
„Die Bullen sind fast da. Ich hab grad die Sirenen draußen gehört. Wir müssen dringend verschwinden.“
Und schon war er wieder nach draußen gerannt.
„Schade.“, grummelte der Braunhaarige. „Immer dann wenn es gerade anfängt, Spaß zu machen.“
„Nick, wir haben keine Zeit für sowas. Mach sie kalt. Wir wollen keine Zeugen.“, raunte der Blonde und rannte ebenfalls raus.
Genannter zuckte kurz mit den Schultern. Während er Edward mit einer Hand weiterhin die Luft abschnürrte, zückte er mit der anderen eine Schusswaffe. Bella riss entsetzt ihre Augen auf. Nein! Nein! Nein! Beweg dich! Tu was! Um Gottes Willen, tu irgendetwas, verdammt nochmal!
Noch bevor sie auch nur hätte Luft holen können, um laut aufzuschreien, ertönte ein lauter Knall. Instinktiv hatte sie die Hände über ihre Ohren gelegt und die Augen zugekniffen.
Sie wartete auf den zweiten Schuss, der garantiert kommen musste. Aber sie hörte nichts. Sie öffnete zögerlich ihre Augen und starrte den Kerl vor sich an. Die Waffe war auf sie gerichtet. Es klickte, als er den Abzug drückte, und sie zuckte instinktiv zusammen.
„Glück gehabt, Schätzchen. Keine Kugel mehr übrig.“ Und damit verschwand der Kerl, als sie ihre Augen wieder öffnete.
Bellas Verstand fing langsam wieder an, zu funktionieren. Wenn der Kerl weg war, dann…
Sie sah zu dem Fleck, an dem Edward gerade eben noch gestanden hatte. Sie sah nichts, bis sie ihren Blick auf den Boden richtete. Dort lag er. In sich zusammengesunken.
Nein, nein, nein, nein, nein!
Schnell – sie musste beinahe hysterisch auflachen, weil ihr Körper ihr auf einmal wieder gehorchte – beugte sie sich vor ihm runter und ging in die Knie. Sie hörte sein Keuchen. Er lebt noch!
Vorsichtig nahm sie sein Gesicht in ihre Hände und hob es an. Das Blut lief seine Wange runter und seine Augen waren seltsam verschleiert. „Schatz? Edward? Sieh mich an, bitte.“
Sie sah, wie er sich bemühte, seinen Blick auf sie zu fokussieren, und, als ihre Blicke sich trafen, lächelte sie erleichtert. Wahrscheinlicher war, dass es einer Grimasse ähnelte, aber sie war so erleichtert. Für eine Sekunde vergaß sie, dass sie in dieser beschissenen Tankstelle saßen und ihr Mann gerade angeschossen worden war.
Sie atmete tief durch und strich ihm mit einer Hand über die unverletzte Wange. Draußen hörte sie die ersten Sirenen vor der Tankstelle ankommen.
„Be… Bella.“ Seine Stimme klang gebrochen und so leise. Zum ersten Mal spürte sie, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. „Shhh. Nicht reden.“
Er versuchte den Kopf zu schütteln, aber scheiterte. Er versuchte tief Luft zu holen, ächzte jedoch auf vor Schmerz. „Es tut so weh.“
Bella sah auf seine Brust und bereute es sofort wieder. Das ganze Blut machte ihren Kopf nur noch schwummriger. „Edward, du musst wach bleiben. Hörst du mich? Und nicht reden. Ja?“ Sie hatte keine Ahnung, ob das die richtigen Tipps waren. Sie hatte doch all ihr Wissen nur aus den wenig realitätsnahen TV-Serien.
Er lächelte schwach. „Ich liebe dich-“
Wütend fuhr sie ihm dazwischen: „Wenn Sie sich gerade von mir verabschieden wollen, Mr. Cullen, dann rede ich nie wieder ein Wort mit Ihnen. Verstanden?!“ Sie wollte nicht, dass er Lebewohl sagte. Er würde schließlich überleben. Dann wäre das total unsinnig, dann hätte er kostbare Energie für einen Abschied verschwendet, der sowieso nicht stattfinden würde.
„Aber es tut so weh.“
Die Tränen erschwerten ihr inzwischen die Sicht und sie kämpfte schwer damit, irgendwie Luft in ihre Lungen zu bekommen. „Du darfst mir hier nicht wegsterben, verstanden?! Was wäre dann mit mir? Denkst du denn nicht an mich?!“, schrie sie ihn verzweifelt an. „Wenn du mir hier wegstirbst, bin ich allein. Und das wegen einem beschissenen Plüschwecker, der schnurrt und den doch kein Arsch morgens ernst nehmen kann!“, schrie sie ihn hysterisch an.
„Schatz-“
„Nein! Ein Leben ohne dich ist ein Scheißleben. Ich will kein Scheißleben. Verdammt, ich will nicht! Also bleib gefälligst wach und spar deine Energie. Du musst überleben. Was soll ich denn ohne dich machen? Ich kann nicht ohne dich leben.“ Sie bemerkte nicht einmal, dass sie sich in Rage geredet hatte, bis sie die Türglocke hörte.
Panisch und in dem Glauben, es seien die Typen, schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und drückte ihn an sich. „Lasst ihn in Ruhe! Geht weg!“, schrie sie.
„Ma’am. Wir wollen Ihnen nur helfen.“
„Geht weg!“, schrie sie wieder. Sie presste ihre Lider zusammen und drückte ihren Mann an sich. „Gleich kommt Hilfe. Gleich kommt Hilfe.“, flüsterte sie immer wieder in sein Ohr.
Sie hörte seinen flachen Atem. „Gleich kommt jemand und hilft uns und du wirst leben. Verstanden?!“
„Ma’am. Wir wollen Ihrem Mann helfen. Sie müssen uns an ihn ranlassen.“
Als sie eine fremde Hand an ihrer Schulter spürte, schrie sie auf und wehrte sich so gut sie konnte. Schnell wurden aus der einen Hand vier Hände, die sie von ihrem Mann wegzogen. „Nein! Lasst mich los! Lasst ihn in Ruhe! Lasst ihn am Leben!“, schrie sie hysterisch.
Sie wurde aus der Tankstelle gezogen und spürte einen Stich in ihrem Arm. „Wir geben Ihnen etwas zur Beruhigung, Ma’am. Sie haben gerade einen Nervenzusammenbruch. Beruhigen Sie sich. Atmen Sie tief durch. Ihrem Mann wird geholfen.“
Sie weinte und kämpfte so lange gegen die Arme an, bis sie sah, wie zwei Typen eine Trage aus der Tankstelle schoben. Als Bella Edward darauf erblickte, konnte sie nichts mehr halten. Sie entriss den Typen ihre Arme und rannte zu ihm. Noch bevor einer der Sanitäter etwas sagen konnte, rief sie ihnen entgegen, dass sie seine Frau sei.
Auf der Fahrt zum Krankenhaus hielt sie seine Hand in ihrer und küsste immer wieder seine Knöchel. „Schatz, du schaffst das, ja? Du bist stark. Du schaffst das.“ Das wiederholte sie immer wieder, bis sie im Krankenhaus ankamen.
„Miss, Sie müssen hier warten.“
Sie starrte den Arzt wütend an. „Das ist mein Mann dort auf der Trage! Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich hier seelenruhig sitzen bleibe, oder?!“
„Sie dürfen aber nicht weiter mitkommen. Ich muss Sie bitten, hier zu warten. Wir werden Sie sofort informieren, sollte es Neuigkeiten geben.“
Sie blickte zu ihrem viel zu blassen Mann. „Was ist, wenn er stirbt?“, flüsterte sie erstickt. „Ich will bei ihm sein. Bitte! Trennen Sie mich nicht von ihm.“
Bedauernd schüttelte der Arzt seinen Kopf. „Warten Sie bitte hier.“
Eine Krankenschwester kam auf die beiden zu und legte eine Hand auf Bellas Schulter. „Sie erfahren sofort, sollte sich der Zustand Ihres Mannes verändern.“
Schnell wandte sich der Arzt um und weg waren sie.

Wieder wachte sie schweißgebadet auf. Das war bis jetzt der schlimmste Alptraum von allen. Weshalb hatte sie diese Alpträume? Das war doch nicht normal!
Da sie sich nicht weiter damit beschäftigen wollte, ließ sie ihren Blick durch das Zimmer schweifen, wo er letztlich auf dem Kalender landete. Heute war der Geburtstag ihres kleinen Neffen.
Edward würde sie dort treffen. Er hatte an diesem Morgen einen Termin auf dem Arbeitsamt. Vielleicht fand er endlich einen Job? Sie konnte es nur hoffen.

Als sie vor Alices Haustür stand, wusste sie nicht ganz genau, wie sie sich ihrer Schwägerin gegenüber verhalten sollte. Nach ihrem letzten Gespräch fühlte sie sich ein wenig unwohl, jetzt einfach hier so aufzutauchen.
Ihre Hände verkrampften sich um das Geschenk. Sie wusste schon gar nicht mehr, was in dem mit grünem Geschenkpapier eingepackten Päckchen war. Edward und sie hatten es schon vor langer Zeit gekauft, weil sie wussten, dass es ihrem Neffen gefallen würde.
Sie löste eine Hand von dem Geschenk und streckte sie etwas zittrig aus, um zu klingeln. Kaum dass sie den Knopf gedrückt hatte, wurde bereits die Tür aufgerissen.
Vor ihr stand ihr Neffe. Er war seit dem letzten Besuch ziemlich gewachsen.
Sie lächelte ihn an und gratulierte ihm zu seinem dritten Geburtstag.
Der Junge sah sie erst etwas verwirrt an, bevor er seine Augen verdrehte und anfing zu lachen. „Aber, Tante Bella, ich bin doch jetzt vier!“

Die Feier war bereits seit einer Stunde voll im Gange. Überall wuselten Kinder herum, während sich die Erwachsenen unterhielten.
Ungeduldig wartete Bella darauf, dass ihr Mann endlich auftauchte. Sie sah bestimmt schon zum vierten Mal auf die Uhr, innerhalb von einer viertel Stunde. Wo blieb er bloß?
Alice verkündete gerade, dass es Zeit wurde, die Geschenke auszupacken. Edward würde alles verpassen. Sie seufzte und schüttelte missmutig den Kopf.
Als das Geburtstagskind endlich bei ihrem Geschenk ankam, wartete sie gespannt darauf, was er davon halten würde. Er riss ungeduldig das Geschenkpapier runter und starrte für einen Moment perplex das Geschenk an. Es war eine große Spielfigur. Was für eine, wusste Bella nicht genau. Das hatte sie Edward überlassen, der von Alice die genaue Anweisung erhalten hatte.
Der Junge verzog kurz das Gesicht. „Oh, Tante Bella. Danke, aber ich mag die Serie doch schon lange nicht mehr.“, beschwerte er sich ein wenig kleinlaut.
Ihr rutschte kurz das Herz in die Hose. Aber Alice hatte doch…
Sie bekam Kopfschmerzen, aber versuchte es nicht durchscheinen zu lassen. „Tut mir leid, Großer. Dann habe ich mich wohl verhört. Ich tausch es einfach um, ja? Onkel Edward hat sicher noch den Kassenzettel.“, versuchte sie die Situation zu retten.
Aber sie machte es nur noch schlimmer, so wie es schien. Plötzlich fing der Junge an zu weinen.
Was war denn jetzt los? Sie verstand gar nichts mehr.
Hilfesuchend wandte sie sich Alice zu, deren Augen allein auf ihren Sohn gerichtet waren.
„Alice, was…“
Plötzlich fiel ihr wieder alles ein.
„Ich… ich glaube, ich habe das Geschenk vergessen.“ - „Das kann nicht dein Ernst sein.“
Die Fahrt zur Tankstelle.
Der blaue Teddy.
„Die Tankstelle am Highway wird gerade überfallen. Ein Schuss ist gefallen. Meine Frau und ich sitzen hier fest. Die Kerle sind noch hier-“ – „Na, wen haben wir denn da?“
„Was meinst du? Wenn er nicht mehr so ein Schönling ist, dann will sie ihn vielleicht mehr. Oder was meinst du, Süße?“ – „Ich denke, da könntest du Recht haben. Außerdem sollten wir ihn mal auf seinen Platz verweisen und sein Ego ein wenig stutzen. Ist ja unerträglich der Kerl.“
Das breite, lange Jagdmesser.
Seine grünen Augen. Die Angst. Der Schmerz.
Die Sirenen.
Der laute Knall.
Nein, nein, nein, nein, nein!
„Ich liebe dich.“
„Ma’am. Wir wollen Ihnen nur helfen.“
„Was ist, wenn er stirbt?“ – „Sie erfahren sofort, sollte sich der Zustand Ihres Mannes verändern.“
„Nein, Officer! Wissen Sie, ich habe nicht wirklich darauf geachtete, wer gerade meinen Mann erst gequält und dann umgebracht hat. Wieso sollte ich auch?!“ – „Miss-“ – „Misses. Gehört?! Misses. Nicht Miss. Mein Name ist Mrs. Isabella Marie Cullen.“
„Edward?!“ – „Mrs. Cullen, Ihr Mann kann Ihnen nicht mehr antworten.“
„Fassen Sie mich nicht an! Bringen Sie mich zu meinem Mann! Ich will zu meinem Mann! Sofort! Edward!“
Es war kein Traum gewesen.
Aber wie hatte sie ihn dann im Bad sehen können? Oder im Bett? Als er sie sogar gehalten hatte!
Das konnte nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein. Das hier war der verfluchte Alptraum!
Sie schüttelte abwesend den Kopf. Die Welt, in der sie lebte, war gerade erneut zerbrochen.
Als sie Arme spürte, die sie umschlossen, hoffte sie für einen kurzen Moment, wieder einfach aufzuwachen. Aber als sie tief Luft holte, war es der falsche Duft, der ihre Sinne erreichte. Es war nur Alice.
Er war nicht hier. Er tröstete sie nicht. Er konnte es gar nicht mehr.
„Alice, er ist tot.“, wimmerte sie fast unverständlich.
Alice hielt sie fest, während ihr selbst genauso wie ihrer Schwägerin die Tränen runterliefen. „Ich weiß, Bella, ich weiß.“

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Ring*Con 2010 Creative Writing Workshop

Das hier war meine Kurzgeschichte, die ich in den anderthalb Stunden während dem Workshop bei Anja Stürzer geschrieben habe. Ich habe den Anfang von einer Kurzgeschichte mit dem Thema 'Vampire' erhalten und sollte dan mithilfe von Schlagworten eine Kurzgeschichte schreiben, nicht länger als eine DINA4 Seite. Der Titel passt mir nicht, aber mehr als Rechtschreibfehler werde ich jetzt beim Hochladen nicht korrigieren.

Gefährliche Sicherheit

Als die große Glocke zu schlagen anhub, begann Natalie, sich ernsthaft Sorgen darüber zu machen, in was sie sich da reingeritten hatte. Angst begann, in ihr hochzusteigen. Dass ihr Ausflug gefährlich sein würde, war ihr natürlich von Anfang an klar gewesen. Aber Natalie hielt sich für clever, stark und erfahren genug, um es mit allen Gefahren aufzunehmen. Dafür dass sie noch jung war und eigentlich eifersüchtig zu der selbstsicheren Stärke der Älteren aufblickte, war dies eine ziemlich hochtrabende Einschätzung - was ihr jetzt, im dunklen Flur vor dem Treppenhaus auch dämmerte, als...

...eine Gestalt auf sie zugewankt kam. Sie erstarrte in ihren Bewegungen und hoffte inständig, dass dies keiner der Gesuchten war. "Hast du mal 'nen Schluck für mich, Kleines?"
Die Angst, die sie bis vor einer Sekunde noch empfunden hatte, schlug in Wut um. Kleines?!
Was bildete sich dieser... dieser... Mist. Die Erkenntnis, dass sie eigentlich nicht wusste, wem oder viel mehr was sie gegenüber stand, überschattete ihre Wut und machte wieder der Sorge und Angst Platz.
"Was machst du da?" Die anklagende, jedoch ruhige Stimme der Älteren beruhigte sie. Jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt.
Die Gestalt wankte weiter, als existierten die beiden gar nicht.
"Du solltest doch in meiner Nähe bleiben. Es passieren zu viele Unfälle bei solchen Ausflügen."
"Aber-"
Natalie die Verteidigung verwährend fuhr die Ältere schnell und hart fort: "Stell dir vor einer der anderen hält dich für einen Blutsauger." Was sehr wahrscheinlich war, denn das Aussehen der Vampire beziehungsweise spezifische Merkmale war nicht geklärt worden. "Seit dem Signal warten sie nur auf die Gelegenheit, einen zu erwischen."
Natalie fühlte sich unterschätzt und zu einem Kleinkind degradiert.
Zwar hatte die Ältere Recht, aber sich dies einzugestehen, hier in dem dunklen Flur, käme einer Niederlage gleich, die Natalie so nicht einstecken wollte.
Während die beiden sich weiter auf die Suche machten, dachte Natalie über die Worte der Älteren nach. So langsam ging ihr auf, dass dies hier mehr einem Himmelfahrtskommando gleichkam, als einer gut organisierten Jagd. Gosh, sie hatten nicht einmal die Gewissheit, dass hier einer dieser Blutsauger zu finden ist oder die Sicherheit, ihn überhaupt von den eigenen Leuten unterscheiden zu können. Zudem bezweifelte sie, dass der immer stärker fließende Fusel wohl nicht im Hof vor der Kirche stand, um ein großes Feuer zu machen.
Plötzlich hörten sie ein dröhnendes Gebrüll von dem Stockwerk über ihnen.
Als sie gehetzt in einem der oberen Räume ankamen, aus dem inzwischen immer lauter werdendes Geschrei zu hören war, standen sie einer Meute gegenüber, die ihr Opfer in einer Ecke eingekesselt hatte.
Natalue erkannte die Gestalt von zuvor. Sie war das erwählte Opfer der Jäger.
"Verflucht! Ich bin einer von euch! Nehmt die Waffen runter! George, du kennst mich doch!" Das war auch die Stimme von vorhin, dieses Mal jedoch aufgrund der Panik und Rage, in der sich der Mann offensichtlich befand, lauter und etwas verzerrt.
Keiner ergriff Partei für ihn. Keiner glaubte ihn.
Die Ältere zog Natalie aus dem Raum. Sowas sollte sie nicht mitansehen müssen. Sie hörte noch ein letztes Mal die Stimme des Mannes: "Aber ich bin ein Mensch, einer von euch. So glaubt mir doch."

03 Ich schenk dir mein Herz - Epilog

Zeit Abschied zu nehmen


Erst hatte ich es nicht glauben wollen, als der Piepser neben meinem Bett losging. Ich hatte geglaubt, dass es ein Traum sein musste.
Aber als ich richtig wach wurde und zu meiner Enttäuschung feststellen musste, dass Edward nicht mehr neben mir lag, streckte ich mich nach dem Ding, was mich aus meinem schönen Traum gerissen hatte.

"Was wäre, wenn morgen mein Pieper losging und ich mein neues Herz bekäme?"
"Ich würde dich sofort heiraten.", lachte er.
"Oh ja. Und dann kriegen wir ganz viele kleine Kinder. Die werden so hübsch.", schwärmte ich.
"Ja, das würden sie werden. Bei der Mutter."
"Ach Quatsch. Allein wegen des Vaters!", lachte ich.


Ich hatte mich mit einem Lächeln an dieses Gespräch erinnert. Es war wahr geworden. Mein Piepser war losgegangen. Ich würde ein neues Herz bekommen.
Ich wusste zu diesem Zeitpunkt ja nicht, was der Preis für mein Herz war.

Ich erfuhr es auch erst später. Die Herztransplantation war erfolgreich verlaufen. Mein Körper hatte das Herz angenommen, als sei es sein eigenes.

Vor der OP hatte ich Edward nicht noch einmal gesehen, hoffte jedoch, dass er mich wie so oft besuchen würde, sobald ich wieder auf einem der Zimmer lag. Aber er kam nicht.
Als die Narkose nachließ und ich in meinem Zimmer aufwachte, war er nicht da. Ich redete mir ein, dass er bestimmt etwas wichtiges zu tun hatte. Vielleicht wusste er auch bereits Bescheid und kümmerte sich um Duke, der wieder allein zu Hause war.

Ich hörte auch die nächsten Tage nichts von ihm. Die Krankenschwester, ich glaube, sie hieß Angela, die mich am Anfang betreut hatte, hatte schon am zweiten Tag mit einem der Pfleger getauscht. Sie hatte unglaublich traurig gewirkt, als sie mit ihm ins Zimmer kam.
Sein Name war Mike Newton. Ich hatte ihn nach Edward gefragt. Schließlich arbeiteten die beiden doch zusammen. Vielleicht wusste er, wo er zu finden war.
Aber Mike zuckte nur mit den Achseln und versuchte mich aufzumuntern, indem er meinte, dass er sicher bald auftauchen würde. Auch Mike wirkte danach seltsam verschlossen.

Während meinem gesamten Krankenhausaufenthalt hörte ich nichts von Edward.

~*~

Hey.

Ich weiß nicht genau, wie ich anfangen soll.
Zu aller erst möchte ich mich bei dir bedanken. Du warst der beste Kumpel, den ich mir nur wünschen konnte, während dieser verflucht schweren Zeit. Ich bin unglaublich froh, dass du für Alice und auch für mich da warst... Und auch für sie weiterhin da sein wirst. Ich weiß, dass sie bei dir gut aufgehoben ist. Du wirst sie glücklich machen. Davon bin ich überzeugt.


Es tut mir leid, dass du meine Schwester meinetwegen anlügen musstest, aber hätte sie von meinen Absichten gewusst oder auch nur etwas geahnt, hätte sie mich aufgehalten. Oder es zumindest versucht. Ich hoffe, sie nimmt dir das nicht allzu übel. Ihr hättet es nicht aufhalten können.

Bei dem Unfall damals...
Damals sind sieben Menschen gestorben. Fünf von diesem Menschen waren von mir geliebte Menschen, deren Tod ich zu verantworten habe.
Um wenigstens etwas Gutes zu tun, habe ich versucht sieben Menschen zu helfen. Fünf Menschen habe ich hoffentlich bereits ein schöneres Leben geschenkt. Jedenfalls schöner als zuvor. Auch wenn das ein Leben mit nur einer Niere von mir bedeutet.
Es stehen nur noch zwei Menschen aus. Aber diesen kann ich nicht ‚einfach so‘ helfen. Dafür brauche ich deine Hilfe.


Wenn du das hier liest, habe ich bereits den Notruf alarmiert und bin höchstwahrscheinlich tot. Was jedoch mehr oder weniger nebensächlich ist. Wichtig ist, dass du, so schnell es geht, herausfindest, in welchem Krankenhaus mein Körper ist.

Ich bitte dich, meine Augen und mein Herz zu spenden. Ich habe dank den Testergebnissen bereits die passenden Menschen für sie gefunden. Spende sie anonym.

Mein Herz soll Isabella Swan erhalten. Sie benötigt es dringend.
Sie ist ein so guter Mensch. Davon konnte ich mich selbst überzeugen. Ich habe ihr ebenfalls einen Brief geschrieben. Ich bitte dich ihn ihr zu überreichen, sobald sie gesund und wohlbehalten wieder zu Hause ist. Ich will nicht, dass sie zu starkem Stress ausgesetzt wird, wenn sie noch im Krankenhaus ist. Anbei liegt auch noch Briefe für Alice und die Cullens.


Meine Augen sollen an einen jungen Mann gehen. Er liegt in dem Krankenhaus, in dem ich gearbeitet habe. Sein Name ist Jacob Black. Ich habe mich mit ihm unterhalten. Er neigt gelegentlich dazu, sich zu überschätzen, ist aber eigentlich ein ganz netter Junge. Er hat es verdient die Welt zu sehen. Auch wenn es nur meine Augen sind, die ihm das ermöglichen. Für ihn habe ich ebenfalls einen Brief hinzugefügt.

Jasper, du warst wirklich eine große Hilfe. Klingt es seltsam, wenn ich sage, dass ich dich dafür liebe? Und wenn schon. Ich tue es. Du bist das beste, was meiner Schwester passieren konnte. Ich hoffe, ihr beide werdet glücklich und bekommt viele kleine Plagen. Du weißt, wie ich das meine... hoffe ich.

Ich wünsche euch alles Glück der Welt.

Edward

~*~

Alice hatte tagelang geweint und um ihren Bruder getrauert. Sie verstand nicht, oder wollte vielmehr nicht verstehen, weshalb er das getan hatte. Sie fühlte sich schuldig.

~*~

Hey kleine Schwester.

Sei nicht traurig. Und noch viel wichtiger fühl dich nicht schuldig oder verantwortlich für das, was passiert ist.
Du konntest nichts für den Unfall und du kannst auch nichts für meinen Suizid. Du hättest beides auch nicht verhindern können. Menschen treffen ihre eigenen Entscheidungen, auch wenn sie manchmal nicht logisch erscheinen oder andere verletzen. Dagegen kann niemand etwas tun.
Ich habe mich an dem Abend entschieden, auf deine SMS zu antworten, und ich habe mich auch dafür entschieden meinem Leben ein Ende zu setzen, um anderen Menschen zu helfen. Meine Schuldgefühle waren einfach so riesig. Ich hatte das Gefühl unter ihnen zusammenzubrechen. Aber eine Therapie hätte mir dieses Gefühl nicht nehmen können.


Ich hab dich so unglaublich lieb, Schwesterherz. Aber ich habe sieben Menschenleben auf dem Gewissen. Noch viel schlimmer. Ich habe Mom, Dad, Emmett, Rosalie und Tanya auf dem Gewissen. Ich hatte zeitweise das Gefühl, zu ersticken, und habe mich gefragt, warum ich nicht einfach auch tot war.
Ich habe einer anderen Familie die Tochter, Frau, und das Kind genommen. Es ist so unglaublich schwer, mit dieser Schuld zu leben.


Ich habe Jasper von einer Isabella Swan erzählt. Ihr kennt sie nicht, aber sie ist wirklich eine großartige Frau. Ich hab sie in letzter Zeit lieben gelernt und ich könnte wetten, dass du sie ebenfalls sofort lieben wirst, sobald du sie triffst.
Sie hat das Herz am rechten Fleck.


Gott, ich werde dich vermissen, Schwesterchen. Aber ich werde auf dich aufpassen. Und auf Jasper auch. Ich bin es euch schuldig.

Fühl dich gedrückt.

Edward

P.S.: Ich will irgendwann ganz viele Neffen und Nichten sehen!
P.P.S.: Ich habe das Haus unserer Eltern verkauft. Die Person, die es erhalten hat, hat es dringend gebraucht und ich denke, ihr wird das Haus mehr helfen als uns.


Ich hab dich unglaublich lieb. Du warst die beste, kleine Schwester, die man sich hätte wünschen können.

~*~

Als Alice Masen und Jasper Whitelock vor mir standen, hatte ich ein seltsames Gefühl in meiner Magengrube. Ich ließ die beiden aus irgendeinem Grund, einfach in mein Haus. Mein Gefühl sagte mir, dass sie mir etwas wichtiges sagen wollten, obwohl sie beide noch keinen Ton rausgebracht hatten.
Nachdem ich sie in mein Haus gebeten und wir jeder eine Tasse Kaffe vor uns stehen hatten, erfuhr ich auch weshalb.
„Mein Name ist Alice Masen.”
Ich drängte die Tränen schnell zurück. In den letzten Tagen hatte sich in mir das Gefühl festgesetzt, dass Edward mich verlassen hatte. Er hatte sich nicht mehr gemeldet und auch auf keinen Anruf und keine Email geantwortet.
„Du bist Edwards Schwester, oder?”
Er hatte nie von seiner Schwester erzählt. Allgemein hatte er nicht viel von sich Preis gegeben. Als sie nickte und anfing zu weinen, bekam ich ein wirklich mulmiges Gefühl.
Ich sah hilfesuchend zu dem Mann neben ihr.
„Mein Name ist Jasper Whitelock. Ich bin Alice Freund und ich-”, er unterbrach sich kurz und lächelte etwas angestrengt, dann setzte er wieder an, „Ich... war Edwards Kumpel.”
War.Mein Verstand schaltete in diesem Moment ab.
Jasper musste mir das angesehen haben. Er beeilte sich fortzufahren: „Ich... Wir sind hier, weil er uns geschickt hat. Wir sollen dir einen Brief von ihm geben.”
Ich konnte ihm nicht antworten. Nicht einmal wenn ich gewollt hätte. Wieso konnte er mir den Brief nicht selbst geben?
Er legte den Brief vor mir auf den Tisch. Auf ihm stand in einer schönen Schrift Isabella Swan.
Ich starrte den Brief an, ohne mich zu bewegen.
„Er wollte das du ihn bekommst.” Jasper holte tief Luft. „Bella, es tut mir leid.”
Er klang selbst so unglaublich traurig. Was war Edward nur zugestoßen?
„Was...” Ich musste mich kurz räuspern. „Was ist passiert?”
Alice schluchzte noch lauter nach meiner Frage und auch Jasper standen die ersten Tränen in den Augen.
„Er ist tot.”

~*~

Liebe Esme, lieber Carlisle.
Ich wollte euch danken. Ihr habt euch so gut um mich gekümmert. Ihr seit zwei außergewöhnliche Menschen, die ein glückliches und langes Leben verdient haben.
Ich hab euch in dieser kurzen Zeit sehr ins Herz geschlossen. Das sollt ihr wissen.
Ohne euch wäre es mir um Längen schlechter gegangen.
Ich werde euch vermissen.
Edward.


~*~

Edwards Todestag. Der Tag, an dem mein neues Leben begann.
Es war alles bereits ein Jahr her. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit.
Anfangs konnte ich mich kaum aus dem Tief befreien, in das mich Jaspers Nachricht von Edwards Tod gerissen hatte. Die beiden hatten mir erzählt, was passiert war.
Ich war hin und her gerissen. Erst war ich wütend, weil er es mir nicht erzählt hatte. Ich wäre für ihn da gewesen. Dann fühlte ich mich so schrecklich einsam und verlassen, weil er nicht wieder kommen würde. Und bis vor drei Monaten fühlte es sich noch so an, als ob das Leben sich einen Witz erlaubt hatte. Als ob er gleich um die Ecke kommen würde, lebendig, mit seinen strubbeligen Haaren, seinen schönen grünen Augen und diesem Lächeln.
Aber die Realität ist unbarmherzig und schlägt dann zu, wenn man es am wenigsten erwartet.

~*~

Ich saß in dem Wartezimmer des Krankenhauses für einen weiteren Check meines oder viel mehr seines Herzens. Ich saß auf diesem schrecklich unbequemen Stuhl und wartete darauf, endlich wieder zu mir nach Hause fliehen zu können, um mich wieder vor der Welt zu verstecken und darauf zu hoffen, dass ich aufwachte und er noch neben mir lag.
Ich kaufte mir sogar aus lauter Verzweiflung einen dämlichen Kreisel, nachdem ich diesen einen Film gesehen hatte, zu dem mich Alice gezerrt hatte. Aber er fiel immer wieder um.

Mir liefen die Tränen über die Wangen. Ich spürte es, aber konnte und wollte es nicht aufhalten. Sollten doch alle sehen, dass ich trauerte. Es war mein gutes Recht. Ich hatte ihn verloren.

„Warum weinst du?”
Ich blickte stur gerade aus und ignorierte den Mann.
„Das Leben ist zu kurz, um zu trauern. Außerdem gibt es viel zu viel Schönes zu entdecken. Also warum weinst du?”
Ich blickte auf und wollte den Mann gerade zurechtweisen, als ich ihm in die Augen sah.
Mein Mund stand offen, das wusste ich, und meine Augen mussten riesig sein.
Ich schüttelte schnell meinen Kopf, nachdem ich realisierte, wie ich ihn anstarrte.
Das konnte nicht wahr sein. Mein Verstand spielte mir hier einen Streich.
„Ich habe jemanden verloren, den ich geliebt habe.”, gestand ich ihm schließlich leise.
„Das tut mir leid. Wollen Sie darüber reden?”
Wieder schüttelte ich meinen Kopf.
„Sicher? Wie hieß er denn?”
Ich runzelte die Stirn. „Woher willst du wissen, dass es ein ‚er‘ ist?”
Er zuckte mit den Schultern. „Ich hab es so im Gefühl.”
Ich schwieg ein wenig, bevor ich ihm antwortete.
„Sein Name war Edward.”
Ich hörte ihn leise lachen und sah ihn deswegen wütend an.
Als er meinen Blick sah, beeilte er sich, zu erklären: „Ich kannte auch einen Edward. Er war ein echt netter Kerl. Er hat hier im Krankenhaus gearbeitet, als ich hier stationiert war.”
Meine Augen weiteten sich ein Stück.
„Erzähl mir von ihm. Bitte.”
Der Mann neben ihr runzelte seine Stirn. „Ich weiß nicht mehr allzu viel. Es ist schon so lange her...”
„Ein Jahr.”, schoss es aus mir hervor.
Er sah mich erstaunt an. „Das ist richtig.”
„Bitte.”
„Naja, ich weiß nicht viel. Ich weiß nicht, wie er aussah. Ich war bis vor einem Jahr noch blind. Er hat sich oft mit mir unterhalten. Mich gefragt, ob ich glücklich bin.”
Ich schniefte kurz. Er sah mich kurz an. Dann lächelte er.
„Er hat mir nur wenig über sich verraten. Wenn wir uns überhaupt über ihn unterhalten haben, dann über eine Frau. Ihr Name war Bella. Er war total vernarrt in sie.”
Er lächelte.
„Er hat sie geliebt. Das konnte man seiner Stimme anhören.”
Ich biss mir auf die Unterlippe. Es tat so unglaublich weh, aber gleichzeitig fühlte es sich auch so heilsam an, etwas über ihn zu hören.
„Ich hab ihn leider niemals richtig kennengelernt, also gesehen. Nach meiner OP hat er hier nicht mehr gearbeitet. Ich hätte mich zu gern für die Gespräche bedankt. Er war wirklich ein netter Kerl... Was er jetzt wohl macht.”
Das letzte murmelte er wohl mehr zu sich.
„Er...” Ich schluchzte leise. „Er ist gestorben.”
Der Mann drehte sich zu mir um. Diese Augen.
„Woher wissen Sie das?”
„Wir haben uns nicht einander vorgestellt. Ich... mein Name ist Bella, Bella Swan.”
Ich bemühte mich zu lächeln und scheiterte kläglich.
Er sah sie kurz verständnislos an, bis es klick machte.
„Oh mein Gott. Es tut mir so leid.”, bemühte er sich schnell zu sagen. „Ich... ich wusste das nicht. Ich habe gedacht, er hätte in einem anderen Krankenhaus angefangen oder so.”
Ich schüttelte wieder meinen Kopf. „Sie konnten das nicht wissen.”
Er sah kurz weg, seufzte und blickte sie wieder an.
„Mein Name ist Jake.”
Er streckte ihr seine Hand entgegen.
„Freut mich.”
Wir verfielen wieder in ein Schweigen, bis Jake es unterbrach.
„Hat er es ihnen gesagt?”
Ich legte meinen Kopf leicht schief. „Was meinst du?”
„Dass er sie liebt.”
Ich weinte wieder und nickte schnell.
„Er hat mir sein Herz geschenkt.”
Ich sah Jake in die Augen, während er mich anlächelte, und kontne nicht anders, trotz der Tränen. Ich lächelte. Ich lächelte aufrichtig.
„Du hast schöne Augen.”

~*~

Geliebte Bella

Zu aller erst möchte ich dir sagen, dass es mir Leid tut.
Dass ich dich ohne ein Wort des Abschiedes verlassen habe.
Dass ich nicht bei dir blieb.
Du solltest wissen, dass ich es nicht getan habe, weil ich dich nicht liebe.
Denn, Bella, ich liebe dich mehr als mein eigenes Leben.
Wenn du diesen Brief liest, hoffe ich inständig, dass mein Abschied nicht umsonst war.
Wenn du diesen Brief liest, wirst du wissen, dass ich nicht wiederkommen werde.
Wenn du diesen Brief liest, dann kannst du ein neues Leben beginnen.
Du kannst Dinge tun, die du dir immer gewünscht hast.
Geh joggen. Pack deinen Rucksack und erkunde die Welt.
Erfülle dir deinen Traum. Das Leben ist zu kurz und zu kostbar, um Chancen verstreichen zu lassen.
Ich bin mir sicher, du wirst einen Mann finden, der dir die Welt zu Füßen legen wird.
Zumindest wünsche ich mir das von ganzem Herzen.
Wenn dir dieser Mann über den Weg läuft, halt ihn gut fest.
Denke nicht an mich. Ich werde immer ein Teil deines Lebens sein, wofür ich mich glücklich schätze, aber ich bin eben nur ein kleiner Teil des Ganzen.
Fülle den Rest, damit du keinen Tag bereust.
Ich habe auch keinen Tag und keine Entscheidung bereut, also tu mir den Gefallen und tu es genauso wenig.
Ich werde immer auf dich aufpassen. Du wirst es nicht merken, aber ich werde immer da sein.
Eine Sache solltest du noch wissen.
Ich habe dich angelogen. Zweimal.
Ich war damals nachts in deinem Zimmer gewesen.
Und ich habe überall und immer an den Tod gedacht.
Ich hoffe, du kannst mir diese Lügen verzeihen.
Es wird Zeit Abschied zu nehmen. Ich werde dich immer vermissen, meine süße, kleine, tollpatschige Bella.
Ich liebe dich. Vergiss das nie.


In Liebe
Dein Edward

02 Ich schenk dir mein Herz

Ich schenk dir mein Herz

"Edward, pass auf!"
Er schreckte aus seinem Schlaf hoch. Kerzengerade saß er in seinem Bett. Nervös fuhr er sich durch seine Haare.
Das einzige Geräusch, welches durch das große, fast leerstehende Haus zu hören war, schien sein Herzschlag zu sein. Zumindest schien es für ihn so zu sein.
Es war so ruhig, so verflucht ruhig.
Wie er diese Stille doch hasste.

An Schlaf war nicht mehr zu denken, also schälte er sich aus seiner Decke, die er scheinbar während dieses verflixten Traumes um sich gewickelt hatte.
Ausgeschlafen war er keineswegs, aber er würde jetzt kein Auge mehr zukriegen. Dafür war er viel zu aufgewühlt.
Wieder hatte ihn eine Erinnerung eingeholt. Die Wunden rissen immer wieder von neuem auf. Immer wieder erschlugen ihn die Erinnerungen und beschworen aufs neue Schuldgefühle auf.
Wie lange konnte er noch damit leben?
Lange sicher nicht mehr. Nicht nur dass die Ganze Sache ihn psychisch stark unter Druck setzte, nein, er konnte kaum schlafen und essen.
Er war nur noch ein Schatten seiner selbst.

Als er sich selbst im Spiegel betrachtete, fragte er sich, wann er das letzte Mal aufgewacht war, keine Augenringe unter den Augen gehabt hatte und ausgeschlafen war.
Klarer Fall. Seit diesem unheilvollen Tag hatte er keine ruhige Minute mehr gehabt.
Überall sah er sie.
Er vermisste sie alle so schrecklich.
Aber sie würden nicht wiederkommen. Und Schuld daran war er. Er ganz allein.
Hätte er damals einfach dieses verdammte Teil nicht in die Hand genommen.

Er schloss seine Augen.
Die Kopfschmerzen kamen wieder. Ohne die richtigen Tabletten würde er wahrscheinlich keinen Tag überstehen.
Schnell griff er nach dem Päckchen in seinem Schrank und nahm gleich drei auf einmal.
Er schluckte sie einfach so. Als wären sie irgendwelche Bonbons.

Nachdem er sein Morgenritual hinter sich gebracht hatte, ging er duschen.
Das Wasser war eiskalt. Aber es tat ihm gut. Es lenkte ihn ab.

Er beeilte sich, fertig zu werden. Seine Schichte würde bald anfangen und er wollte nicht zu spät kommen. Er zog sich an und trank noch schnell einen Kaffee, bevor er das Haus verließ.

Mit seinem Volvo machte er sich auf den Weg zum Krankenhaus.
Er müsste noch, bevor seine Schicht anfängt, nach Jasper schauen.
Die letzten Tage war es ihm wieder besser gegangen. Wahrscheinlich würde er bald entlassen werden.

Auf dem Parkplatz angekommen, stellte er sein Auto schnell ab und rannte förmlich ins Krankenhaus.
Heute war der erste Tag nach seiner Operation, an dem er wieder arbeiten würde.
Die Krankenschwestern begrüßten ihn lächelnd, während er sich auf den Weg zu Jaspers Zimmer machte.

Als er dort ankam, war es leer.
Sein Herz blieb kurz stehen. Wo war er?
Jemand tippte ihm auf die Schulter und er zuckte heftig zusammen.
"Alter, seit wann bist du denn so schreckhaft?", lachte Jasper hinter ihm.
Er drehte sich zu seinem bestem Freund um.
"Gott, du siehst aus, als ob dir ein Geist über den Weg gelaufen wäre. Ed, geht's dir gut?", fragte sein Freund ihn sogleich besorgt.

Fahrig fuhr sich Edward mit einer Hand durch die Haare und lächelte ein wenig abgekämpft.
"Mir geht's prima.", log er drauf los.
Jasper wäre nicht sein bester Freund, wenn er nicht gleich die Lüge aus seinen Worten gehört hätte.
"Ich lebe, wie du siehst immer noch. So leicht kriegst du mich nicht unter die Erde. Übrigens habe ich eine tolle Neuigkeit! Ich werde heute entlassen.", berichtete Jasper stolz.
Er wollte Edward ein wenig beruhigen.
"Das klingt super. Holt dich Alice ab?"
"Jop. Sie freut sich riesig. Sie müsste auch gleich hier sein."

Sofort war eine Spur Panik in Edwards Augen zu erkennen.
Er schaute schnell auf seine Armbanduhr.
"Ich muss los. Meine Schicht fängt an. Richte ihr bitte liebe Grüße aus.", meinte er schnell.
Jasper zog eine Augenbraue hoch und versuchte seinen Freund aufmunternd anzulächeln.
"Warum machst du das nicht selbst? Sie würde sich riesig freuen."
Schnell schüttelte der Bronzeschopf den Kopf.
"Ich muss wirklich los. Ich will nicht am ersten Tag nach der OP zu spät kommen. Am Ende denken sie sonst, ich könnte immer noch nicht arbeiten."
Das Lächeln, welches er aufsetzte, wirkte nicht echt.
Er wollte nur weg.
"Vielleicht wäre es auch besser, wenn du noch ein paar Tage zu Hause bleibst.", meinte Jasper ruhig.
Wieder ein Kopfschütteln seines Gegenübers.
"Nein. Mir geht's wirklich prima."
Jasper seufzte.

"Na gut. Aber sie wird enttäuscht sein."
"Ich weiß. Aber das ist sie sowieso schon. Ich möchte ihr keine falschen Hoffnungen machen. Man sieht sich oder hört voneinander."
Jasper nickte und winkte seinem Freund hinterher, während dieser beinahe fluchtartig die Station verließ.
Keine zwei Minuten später tauchte neben dem großgewachsenen, blonden Mann eine hübsche, kleine, schwarzhaarige Frau auf.
"Jasper!", rief sie begeistert.
"Hallo Alice."
Er lächelte sie an, versuchte die Enttäuschung über die Entscheidung ihres Bruders zu verbergen.
"Und??"
Sie sprang aufgeregt vor ihm auf und ab.
Er schüttelte den Kopf.
Sofort senkte sich ihr Blick. Von dem zuvor beinahe euphorischen Anfall war nichts mehr zu sehen.
"Ich vermisse ihn.", kam es leise von ihr.
"Ich auch."

~*~

Seine Entscheidung, Jasper eine seiner Nieren zu geben, bereute er keineswegs.
Er liebte ihn wie einen Bruder.
Sofort schossen Erinnerungen durch seinen Kopf.
Frustriert und verzweifelt schüttelte er den Kopf.
Warum konnten ihn diese Bilder nicht in Ruhe lassen?
Litt er denn nicht bereits genug?
Sein Gewissen hatte bereits eine Antwort parat und schrie ihm ein lautes 'Nein' entgegen.

So quälte er sich, so gut es ging, durch seine Schicht.
Er hatte extra eine Doppelschicht genommen, damit er beschäftigt war und nicht so früh nach Hause fahren musste.
Die Spät- und Nachtschicht waren ihm die liebsten. Die meisten Leute wollten einfach ihre Ruhe haben, wenn keine Patienten da waren. Somit hatte er auch seine Ruhe und keiner fragte ihn die ganze Zeit, wie es ihm denn ging.
Nur einmal war eine der Krankenschwestern auf ihn zugekommen und hatte sich nach ihm erkundigt.

"Angela verdammt. Mir geht es gut. Wenn nicht würde ich nicht arbeiten.", meinte er genervt zu einer schwarzhaarigen, großen Krankenschwester, die ihn besorgt musterte.
"Darf ich mir wenigstens deine Operationsnaht ansehen? Nur um sicher zu gehen. Bitte Edward. Dann lasse ich dich auch in Ruhe."
Sie war lediglich besorgt und hatte Angst, dass er sich übernahm.
Seit dem Unfall hatte er so wenig Urlaub genommen, wie es nur ging. Selbst jetzt nach dieser OP wollte er keine Woche zu Hause bleiben.
"Na gut. Aber danach lasst ihr mich alle damit in Ruhe.", gab er sich dann geschlagen. Angela meinte es schließlich nur gut mit ihm.
Einigermaßen erleichtert nickte sie und ging mit ihm in ein Untersuchungszimmer.

Nachdem sie sich versichert hatte, dass alles in Ordnung war, hatten sie sich beide wieder an die Arbeit gemacht.
Wie sie es ihm versprochen hatte, kam keiner der anderen auf die Idee, ihn noch einmal wegen der Sache oder der OP anzusprechen.
So brachte er auch den Rest der zweiten Schicht hinter sich.

Als er auf dem Weg zu seinem Auto war, traf ein Krankenwagen ein.
Flüchtig warf er einen Blick auf die Person, die auf der Trage in die Notaufnahme geschoben wurde.
Es war eine junge Frau mit braunen Haaren. Sie hatte keine sichtbaren Verletzungen.
Er runzelte verwundert die Stirn. Was hatte sie wohl?

Leider war er zu müde und kaputt, um den Sanitätern hinterher zu laufen. Er würde wahrscheinlich nur gerade so den Heimweg schaffen.
Also machte er sich weiter auf den Weg zu seinem Auto und stieg ein.

Das nächste, was er wahrnahm, war ein Klopfen.
Er blinzelte ein paar Mal und streckte sich.
Verwundert stellte er fest, dass er noch auf dem Parkplatz in seinem Auto saß.
War er etwa sofort eingeschlafen?
Wieder ein Klopfen.
Er drehte langsam seinen Kopf in Richtung des Geräusches.
Die Kopfschmerzen waren wieder da. Klar, hier hatte er auch keine Tabletten.
Es war ihm schließlich noch nie passiert, dass er es nicht bis nach Hause geschafft hatte.

Die Person, die ihn geweckt hatte, war Angela. Das würde jetzt sicher eine Standpauke geben.
Kurz warf er noch einen Blick auf die Uhr. Seine nächste Schicht würde in zwei Stunden anfangen.
Grummelnd öffnete er die Fahrertür und stieg aus.

"Ed so kann das nicht weiter gehen. Du musst dringend Urlaub nehmen. Fahr irgendwohin und schalte ab."
Er antwortete ihr nicht, sondern fuhr sich verschlafen über sein Gesicht und fragte sie, ob sie nicht Kopfschmerztabletten dabei hätte.
Seufzend gab sie ihm eine Tablette.
Es war keineswegs eine seiner Tabletten, die waren nämlich wesentlich stärker, aber das sollte er Angela wohl besser nicht sagen.
Er würde sich nachher noch welche organisieren, damit er die nächste Schicht überstehen würde.

Gemeinsam fuhren sie mit Angelas Wagen zu einem kleinen Café, damit er etwas zwischen die Zähne bekam.
Angela war eine gute Freundin von Alice und kannte Edward nun schon ziemlich lange.
Sie machte sich große Sorgen um ihn.
Kein Mensch hält so etwas so lang aus. Und er schien langsam an seinen Grenzen stoßen.

Er aß kaum etwas und trank eigentlich nur seinen schwarzen Kaffee.
Er brauchte inzwischen so viele Tassen, um halbwegs wach zu werden, dass er wahrscheinlich der Bedienung das Gehalt für diese Woche bezahlt hatte.

Während sie frühstückten, sprach keiner ein Wort.
Das war Edward nur allzu recht. Deshalb mochte er Angela auch so. Sie konnte auch einfach schweigend bei einem sitzen.
Anschließend fuhren sie zurück zum Krankenhaus. Und Edward machte sich für seine nächste Schicht fertig.

Heute hatte er auf der Intensivstation Dienst.
Ein bisschen mehr Action würde ihn sicher wach halten.
Das hoffte er zumindest.
Was ihn wunderte, war das er nicht von einem seiner Träume geweckt wurde, sondern von Angela.
Aber egal was für einen Grund dieser Umstand hatte, er war erleichtert.
Eine Nacht oder viel mehr ein Morgen ohne diese Träume war für ihn schon Urlaub genug.

~*~

"Kannst du dieses dämliche Teil nicht einmal weglegen?!", fuhr eine Frau ihren Mann an, welcher gerade an seinem Handy rumspielte.

"Ed, leg das dumme Teil weg. Konzentrier dich besser auf den Verkehr."
"Ja, Sekunde, ich muss nur noch-"
"Edward, pass auf!"


Er blieb wie angewurzelt stehen.
Sein Herz raste. Er verkrampfte sich sofort.

Angela wollte gerade dem Mann mit dem Mobiltelefon erklären, dass diese auf dieser Station auszuschalten seien, als sie Edward sah.
Er war kreidebleich und rührte sich kein Stück.
Sofort eilte sie zu ihm.
"Edward?!"
Sie versuchte ihn irgendwie aus diesem Zustand zu bekommen.
Er reagierte nicht.
Als sie kurz seinen Puls fühlte, merkte sie, wie sehr dieser raste.
Sie schnippste mit ihren Fingern vor seinem Gesicht.
"Verdammt Edward!", schrie sie ihn schon fast an.
Inzwischen hatten die beiden schon einen kleinen Pulk um sich herum.
Die Besucher und Patienten waren neugierig und wollten sehen, was sich denn da abspielte.

"Mike!", rief Angela ihren Kollegen zu sich.Dieser schickte zu aller erst die Schaulustigen weg.
"Was hat er?", fragte er anschließend.
Er betrachtete seinen sonst so kontrollierten und gefassten Kollegen.
Natürlich wusste Mike, was Edward passiert war. Nicht von ihm, sondern von seiner Schwester.
Sie hatte es dem Personal, zumindest denen, denen sie vertraute auch stillschweigen darüber zu bewahren, erzählt.
"Ich weiß es nicht. Ich hab ihn hier schon so gefunden. Er reagiert nicht auf Schnippsen und auch nicht, wenn man ihn anspricht."
Sie hatte Angst, dass es etwas Ernsteres sein könnte.
"Lass mich mal."
Noch bevor Angela protestieren konnte, hatte Mike Edward eine Ohrfeige verpasst, die sich gewaschen hatte.

Sofort wachte dieser aus seinem tranceartigen Zustand auf.
Er hielt sich die Wange, die jetzt flammrot war.
"Verdammt! Was sollte das?!", fuhr Edward seinen Kollegen sauer an.
"Hättest du auf etwas anderes reagiert, hätte ich dir keine scheuern müssen. Selbst Schuld.", meinte Mike gelassen.
Angela warf diesem kurz einen verärgerten Blick zu, bevor sie sich wieder Edward zuwandt.
"Was war los?", fragte sie ihn besorgt.
"Nichts.", kam es kühl von ihm.
"Das sah mir nicht nach nichts aus, Edward."
Warum musste er auch immer den Starken mimen.
"Es geht euch nichts an."
Damit drehte er sich um und verschwand in einen der Flure, um seine Visite zu beenden.
Seine beiden Kollegen schauten ihm verdutzt hinterher.

~*~

Nur noch dieses Zimmer und dann hätte er es geschafft.
Dann hätte er eine Pause und könnte schnell nach Hause fahren, um sich seine Tabletten zu holen.
Er klopfte kurz an und betrat dann das Zimmer.
"Guten Tag, Ms. Swan."
Er hatte sie hier noch nie gesehen. Er arbeitete auch nicht so oft auf der Intensivstation.
Sein Blick lag noch auf den Unterlagen.
Sie brauchte dringend ein Spenderherz. Jedoch war ihr Fall noch nicht so schwer, dass sie auf die erste Liste gesetzt werden musste.
Er verstand diese Listen zwar, aber es tat ihm jedes Mal weh, wenn er diese Menschen traf.
Sie brauchten genauso dringend wie die anderen Patienten ein Herz, aber sie konnten noch zu Hause wohnen und mussten nicht im Krankenhaus bleiben.
Aber sie konnten genauso schnell ihrem Herzproblem erliegen wie die anderen.
Sie waren in gewisser Weise sogar noch hilfloser, weil sie niemanden um sich hatten, der ihnen sofort helfen konnte, wenn es ernst wurde.
"Guten Morgen."
Als er ihre Stimme hörte, schaute er sie sofort an.
Sie hatte eine wunderschöne Stimme.
Und jetzt wo er sie auch genauer betrachtete, musste er feststellen, dass sie allgemein wirklich hübsch war.
'Wie traurig.'

"Wenn ich mich vorstellen darf? Mein Name ist Edward Masen, ihre Krankenschwester."
Er streckte ihr seine Hand aus, als er am Bett ankam.
Sie lachte kurz leise und hinreißend, bevor sie seine Hand nahm.
"Freut mich sie kennen zu lernen. Aber sind Krankenschwestern nicht eigentlich weiblich?", meinte sie mit einem schönen Lächeln auf den Lippen.
Fasziniert betrachtete er ihr Gesicht.
"Im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht mehr. Oder beziehen Sie sich da eher auf das 'Schwester'?"
"Zweiteres."
"Nun ja. Krankenbruder würde sich doch seltsam anhören oder?"
"Stimmt", meinte sie mit einem Lachen.

Er konnte nicht anders und lachte leise mit.
Er schüttelte kurz seinen Kopf.
"Wie geht es Ihnen heute, Ms. Swan?"
"Bitte nur Bella. Ms. Swan lässt mich so alt klingen.", erklärte sie ihm.
"In Ordnung. Bella. Wie geht es Ihnen?"
Er lächelte immer noch.
"Meine Beschwerden von gestern sind fast weg. Ich bekomme wieder prima Luft und mir ist auch nicht mehr allzu schwindlig."
Das erleichterte ihn ungemein. Weshalb wusste er nicht.
"Das hört sich doch gut an. Dann machen wir noch ein paar Checks und dann können sie nach Hause gehen, wenn sie wollen."
Er wollte nicht, dass sie ging. Aus irgendeinem Grund mochte er sie. Sie war ihm gleich sympathisch gewesen.
"In Ordnung, Krankenbruder."
Wieder kicherte sie.
Er musste schmunzeln.

~*~

Er traf am Ende seiner Schicht noch einmal auf Angela.
"Und wie geht es unserer Ms. Swan?", fragte sie ihn.
Er hatte heute relativ viel Zeit bei ihr verbracht.
Es war recht wenig los auf der Intensivstation, weshalb er sich das erlauben konnte.
"Bestens. Wir können sie heute Abend entlassen."
Er klang ein wenig reumütig.
"Ich denke, wir sollten sie noch eine Nacht hier behalten. Damit wir ganz sicher gehen können."
Sie sagte dies keineswegs ohne Grund. Vielleicht aus keinem medizinischen, aber aus einem menschlichen.
"Vielleicht hast du recht."
Sofort schlich sich wieder ein Lächeln auf seine Lippen.
Angela wusste weshalb.

Edward fuhr nach Hause, um wenigstens ein paar Stunden Schlaf abzubekommen, bevor er sich zu seiner Nachtschicht aufmachen müsste.
Eigentlich wäre er lieber im Krankenhaus geblieben, aber Angela hätte ihn dann wahrscheinlich nicht mehr in Ruhe gelassen.
Sie machte sich seiner Meinung nach viel zu große Sorgen um ihn.

Als er einen Blick auf seinen Anrufbeantworter warf, sah er das übliche Blinken.
Er drückte den Abspielknopf.
"Hey Edward! Ein paar Kollegen und ich wollen Bowlen gehen. Hast du Lust mitzugehen? Wenn ja, dann melde dich doch einfach!"
Typisch Mike. Er kannte zwar den Plan, wann wer arbeiten musste, aber vergaß es immer wieder.
"Brüderchen, wie geht's dir? Melde dich doch bitte mal. Wie vermiss-"Schnell drückte er die Nachricht weg.
Das konnte er sich einfach nicht anhören.
"Die Ergebnisse sind noch nicht da. Aber wenn sie angekommen sind, gebe ich dir Bescheid. Alice weiß natürlich nichts davon, auch wenn ich das nicht gut heiße."'Danke Jasper.'

Er wollte nicht in seinem Bett schlafen.
Außerdem hatte ihn der Anruf seiner Schwester wieder so sehr aufgewühlt, dass er wahrscheinlich kein Auge zu bekommen hätte.
Also legte er sich auf die Couch und schaltete irgendeine Sitcom ein.
Er hätte im Nachhinein nicht einmal sagen können, was genau er gesehen hatte.
Letzten Endes schlief er auf der Couch ein.

Überall Schreie. Glas zerbricht. Metall verbiegt sich.
Dann. Stille. Einfach nur Stille.
"Rose?"
"Emmett?!"
"Tanya!"


Er wachte schweißgebadet auf.
Und wieder hatten ihn seine Erinnerungen eingeholt.
Er saß auf der Kante der Couch und hielt sich die Ohren zu.
Immer wieder spielte sich die Szene vor seinen geschlossenen Augen ab.
Immer wieder hörte er ihre Schreie.
Dann diese beängstigende Stille.
Stumm rannen ihm Tränen die Wangen hinunter.

~*~

Nun stand er vor diesem Motel. Mit den Sachen, die er einfach nicht zurücklassen konnte.
Aber länger hielt er es einfach nicht mehr in seinem Elternhaus aus.
Es war so groß und leer.
Früher hatten sie alle dort gelebt. Es mit Leben gefüllt.
Und jetzt verband er nur noch traurige Erinnerungen damit.
Er konnte keinen Tag länger dort bleiben.
Er hatte sich schnell ein Motel gesucht und ein Zimmer genommen, auf unbestimmte Zeit.
Das alles noch bevor seine Schicht im Krankenhaus begann.
Die drei Kisten mit Klamotten und Erinnerungsstücken stellte er nur schnell ab, bevor er sich auf den Weg zum Krankenhaus machte.

Angela hatte heute keine Nachtschicht. Er würde also von niemandem gestört werden.
Anfangs saß er einfach in der Schwesternstation.
Die Patienten schliefen und er hatte gerade seine kurze Visite beendet.
Was sollte er jetzt mit seiner Zeit anfangen?
Kurz kam ihm der Gedanke, die junge Frau zu besuchen, aber er schlug ihn sich gleich wieder aus dem Kopf.
Wie sollte das auf sie wirken?

Kurz lachte er gequält auf und schaute auf seine ineinander verschränkten Hände.
Er wollte sie noch einmal sehen, bevor sie ging, aber das konnte er nicht machen.
Er saß hier auf der normalen Krankenstation und sie lag auf der Intensiv.

Um etwas sinnvolles mit seiner Zeit anzufangen, holte er sich einen Kaffee.
Einer seiner Kollegen kam auf ihn zu.
"Hey Ed!"
Eric. Jedes Mal, wenn er ihn ansprach, wollte er irgendetwas.
"Hey Eric. Was gibt's?"
"Naja ich wollte fragen, ob wir Stationen tauschen könnten?"
Verwundert runzelte Edward seine Stirn.
"Weshalb?"
Es wäre ihm nur allzu recht, schließlich hätte er dann wieder auf der Intensiv Dienst.
"Mein Onkel liegt unten auf deiner Station. Ich hätte gern einen Blick auf ihn. Das verstehst du doch, oder?"
"Sicher."
"Also tauschst du?", fragte der gebürdige Vietnamese seinen Kollegen noch einmal.
"Klar."

So kam es, dass er jetzt doch in diesem Zimmer saß. An ihrem Bett.
Darauf achtete, ob ihr Herz immer noch den gleichen Takt hatte wie noch vor zwei Minuten.
Er musterte sie eingehend.
Sie war wirklich hübsch.
Ihre kleine Stupsnase. Ihre schön geformten Wangenknochen.
Aber am schönsten waren ihre Augen.
Sie hatten einen warmen Braunton.
Leider schlief sie, so dass er sie nicht sehen konnte.

Was redete er da?! Wenn sie wach wäre, würde sie ihn wahrscheinlich anschreien und aus dem Zimmer werfen.
Er verhielt sich eindeutig nicht professionell.

Nach einer weiteren Stunde fing sie plötzlich an sich zu bewegen.
Ihr Augenlider begannen zu flattern.
Alarmiert sprang er auf.
Ihre Herzfrequenz war in Ordnung, das wusste er.
Viel schlimmer. Sie wachte auf.
Schnell flüchtete er aus dem Zimmer.
Er konnte ihr einfach nicht gegenüber treten.

Draußen vor der Tür angekommen, atmete er tief durch und versuchte sich zu beruhigen.
Er hoffte inständig, dass sie ihn nicht gesehen hatte.

~*~

Dadurch dass er heute hier Dienst hatte, musste er mit dem zuständigen Arzt die Patienten entlassen.
Seufzend machte er sich mit diesem auf den Weg. Als sie vor ihrem Zimmer stehen blieben, stockte sein Herz kurz.
Sie wurde heute entlassen. Wie hatte er das nur vergessen können?
Schweren Herzens ging er mit dem Arzt in ihr Zimmer.
"Guten Morgen, Ms. Swan. Wie geht es Ihnen denn heute?"
Er sagte nichts und hielt sich mit Absicht stark im Hintergrund.
"Guten Morgen, Dr. Stevens. Mir geht es noch besser als gestern.", antwortete sie mit einem Lächeln.
Zumindest vermutete er das, denn er schaute nicht zu ihr.
Viel zu peinlich war ihm seine nächtliche Aktion gewesen.
"Ihnen ist also nicht mehr schwindlig?"
"Nein. Zum Glück nicht mehr."
"Und sie bekommen wieder Luft, so wie immer?"
"Ja."
"Gut. Dann steht Ihrer Entlassung nichts mehr im Weg. Mr. Masen wird Ihre Papiere fertig machen. Dann können Sie nach Hause gehen. Ich hoffe wir sehen uns nicht allzu bald wieder.", lachte der Arzt abschließend.
"Ich hoffe es ebenfalls."
"Leben Sie Wohl.", verabschiedete Dr. Stevens sich und verließ das Zimmer.

So schnell es ging, wollte Edward ebenfalls den Raum verlassen.
"Mr. Cullen?"
Widerwillig drehte er sich um.
"Ja, Ms. Swan."
Automatisch verzogen sich ihre Mundwinkel nach unten.
"Ich hab Ihnen doch angeboten, mich Bella zu nennen. Bitte tun Sie das doch."
"In Ordnung. Bella."
Er konnte das aufkommende Lächeln nicht unterdrücken.
"Darf ich Ihnen eine Frage stellen?"
Bella schaute ihn relativ unsicher an und spielte mit ihren Fingern an den Deckenzipfeln.
"Sicher."
Sie druckste ein wenig herum, bevor sie scheinbar genug Mut hatte, ihre Frage zu stellen.
"Waren Sie heute Morgen in meinem Zimmer? Ich weiß, das klingt verrückt, aber ich habe geglaubt, Sie hier gesehen zu haben, als ich wach wurde.", kam es leise und viel zu schnell von ihr.
Sie wurde zudem knallrot.

Er konnte ihr unmöglich die Wahrheit sagen. Sie würde ihn für einen kranken Stalker halten.
"Ich glaube, dass haben Sie sich nur eingebildet.", meinte er dann mit einem Lächeln zu ihr.
Das Lächeln musste er sich aufzwingen.
Er wusste nicht, ob sie gemerkt hatte, dass es nicht echt war. Jedenfalls sagte sie nichts mehr dazu.
"Okay."
Es klang seltsamerweise traurig und enttäuscht.

"Sind Sie glücklich mit Ihrem Leben?"
Diese Frage kam schneller über seine Lippen, als er beabsichtigt hatte. Eigentlich hatte er sie gar nicht stellen wollen.
Verständnislos schaute ihn die junge Frau an.
"Ob ich glücklich bin?", wiederholte sie seine Frage.
"Ich... es geht mich nichts an. Entschuldigen Sie mich."
Er wollte sich zum Gehen wenden.
"Glücklich nicht. Aber ich versuche, das Beste daraus zu machen."
Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihm eine Antwort geben würde.
"Sind Sie es denn?", fragte sie ihn dann.
Seine Schultern sackten sofort zusammen.
Er konnte nicht einmal mehr ein gezwungenes Lächeln aufsetzen.
"Nein. Aber das ist unwichtig."
Nachdem er ihr geantwortet hatte, verließ er den Raum.
Man hätte meinen können, dass er von irgendetwas gejagt wird.

In der Schwesternstation angekommen, bereitete er ihre Papiere vor.
Es fiel ihm schwer, aber es war besser so.

~*~

Die Tage zogen eintönig an ihm vorbei.
Er wusste nichts mit sich anzufangen, sobald er in seinem Zimmer saß.
Die Erinnerungen verfolgten ihn inzwischen sogar tagsüber, weshalb ihn Angela nur noch eine Schicht am Tag machen ließ, egal wie sehr er auf eine zweite bestand.
Er schaute sich in dem Zimmer um.
Er musste irgendetwas tun.
Also fuhr er heute an seinem freien Tag zu Esme Cullen.

Als er vor dem Haus der Cullens ankam, fühlte er sich ein wenig unsicher.
Sollte er oder sollte er nicht?
Nachdem er kurz tief durchgeatmet hatte, klingelte er.
"Ja?"
Eindeutig die Stimme der liebenswerten Frau, die er seit ein paar Monaten kannte.
"Hallo Esme. Ich bin's. Edward."
Er war nervös. Vielleicht erkannte sie ihn gar nicht mehr?
"Oh Edward! Komm doch rein."

Sie saßen an dem großen Tisch im Esszimmer.
Esme hatte ihm Kaffee angeboten, den er dankend angenommen hatte.
"Wie geht es dir?", fragte sie mit diesem typischen mütterlichen Lächeln.
Während er und ihr Mann nach der OP in einem Zimmer lagen, hatte sie sich um ihn gekümmert, als wäre er ihr Sohn.
"Mir geht es gut. Und euch?"
"Carlisle arbeitet jetzt wieder in seiner Praxis. Ihm geht es seitdem wesentlich besser. Mir geht es mitunter deswegen auch ausgezeichnet. Was treibt dich denn zu uns?"
Das wusste er selbst auch nicht so genau. Aber das konnte er schlecht sagen.
"Ich war gerade in der Gegend und dachte, ich könnte euch mal einen Besuch abstatten."
Er lächelte sie an.
"Das ist wirklich schön. Es freut mich. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen."
Er nickte.

Esme und Carlisle Cullen waren ein älteres Ehepaar. Immer noch genauso glücklich verheiratet wie am ersten Tag.
Er beneidete sie fast.
Er hatte sie durch einen dummen Zufall besser kennen gelernt.
Sein Vater hatte früher ab und zu mit Carlisle zu tun gehabt.
Naja bis zu dem Tag.
Einige Wochen später war Carlisle auf die Intensivstation gekommen.
Seine Leber hatte einen Schaden.

Edward hatte sich sofort angeboten.
Die Leber wuchs schließlich nach.
So bekam Carlisle die rechte Hälfte seiner Leber.
Zu diesem Zeitpunkt kannte er Esme noch gar nicht.
Aber als er sie das erste Mal sah, wusste er sofort, dass es die richtige Entscheidung war.
Die beiden brauchten einander. Carlisle war zudem kein schlechter Mann.

Eine Weile saßen die beiden schweigend an dem Tisch.
"Wie geht es dir wirklich?", fragte Esme ihn dann ernst.
War es doch so offensichtlich?
Er wollte nicht noch mehr Leuten zur Last fallen.
"Mir geht es gut."
"Nein, geht es dir nicht. Edward, du kannst mir vertrauen. Also?"
Er senkte seinen Blick und wusste nicht, ob er ihr doch die Wahrheit sagen sollte.
"Edward, bitte. Ich mache mir Sorgen."
"Ich werde die Erinnerungen nicht los. Im Gegenteil. Es wird schlimmer."
Esme wusste bestens über den Tag Bescheid. War sie doch eine enge Freundin seiner Eltern gewesen.

Sie kam auf ihn zu und nahm ihn in den Arm.
"Edward. Du brauchst Hilfe. Wirklich. Es wird dich kaputt machen."
Er schüttelte den Kopf.
"Ich will keine Hilfe. Es wird sicher bald weggehen."
Das klang wenig überzeugt, das wusste er selbst.
"Nein, wird es nicht. Bitte, lass dir helfen."
Er schwieg einfach.
"Mach dich nicht so fertig. Es war ein Unfall."
Wieder schüttelte er den Kopf.
Es war kein Unfall. Er hatte es ja förmlich heraufbeschworen.

Esme merkte, dass sie nichts mehr aus ihm herausbekommen würde.
Sie seufzte und wechselte das Thema.
Sie redeten ein wenig über die Zeit als Carlisle im Krankenhaus lag.
Anschließend verabschiedete Edward sich von ihr und fuhr zurück in das Motel.
Nicht ohne einen kleinen Umweg zu machen.
In einer Tierhandlung kaufte er sich ein Aquarium und ein paar spezielle Quallen.
Er war schon immer fasziniert gewesen von diesen Tieren.

~*~

Während seiner Schichten auf der Krankenstation lernte er eine alte Frau kennen.
Isabel Jackson.
Sie war wirklich eine nette alte Dame.
Er unterhielt sich viel mit ihr.
Sie hatte in der Umgebung keine Verwandten oder Freunde, die sie hätten besuchen können.
Deshalb opferte Edward seine Freizeit für sie auf und hörte sich ihre Geschichten an.
Als klar war, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte, da die Medikamente immer weniger wirkten, wollte sie zu ihrer Familie.
Edward verstand ihren Wunsch. Aber er konnte nichts machen.
Sie wusste ja selbst nicht, wo sie lebte.

Er fand es schrecklich, dass die alte Frau nicht ihren letzten Willen bekommen sollte.
Während der Nachtschichten versuchte er herauszufinden, wo ihre Familie lebte.
Leider kam er zu keinem guten Ergebnis.
Sie hatte noch eine Tochter. Ansonsten waren alle verstorben.
Das Problem war, dass die Tochter aus irgendeinem Grund keinen Kontakt zu ihrer Mutter haben wollte.
Als Edward sie am Telefon fragte, weshalb, legte sie schluchzend auf.

Er beschloss bei ihr vorbeizufahren.
An seinem nächsten freien Tag hatte er sich auf den Weg gemacht.
Er traf sie sogar an, jedoch schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu.
Sie hatte heftig geweint.

Was hatte sie nur?

Der Zustand der Frau wurde nicht besser.
Er beschloss hartnäckiger zu sein und besuchte ihre Tochter noch einmal.
Er hatte Nachforschungen angestellt. Teils dank Esme, die in einer Hilfsorganisation tätig war, war er zu einem Ergebnis gekommen.
Die Frau wurde misshandelt von ihrem Mann.
Scheinbar wollte sie nicht, dass ihre Mutter sah, wen sie da geheiratet hatte.

Er ließ ihr nach einem längeren Gespräch seine Visitenkarte da.
Sie sollte sich melden, wenn sie Hilfe bräuchte.
Egal wann. Er würde ihr helfen.

Lange musste er auch nicht warten.
Zwei Tage später hatte sie sich gemeldet.
Sie trafen sich auf einem Parkplatz.
Ihr Auto war voller Klamotten und Gegenstände.
Er gab ihr einen Umschlag und erklärte ihr den Weg zu seinem Haus.

Als die junge Frau bei dem Haus ankam, öffnete sie den Umschlag.
Darin war der Kaufvertrag des Hauses fertig ausgefüllt, es fehlte nur noch ihre Unterschrift.
Zudem hatte er einen kleinen Brief dazu gelegt.
Er erklärte ihr, dass er ihr das Haus schenke. Sie müsse nur noch unterschreiben.
Er täte dies, weil er gehört habe, dass man hier seine Seele heilen konnte.
Sie schaute verträumt aus dem Fenster aufs Meer hinaus.
Der Mann hatte recht.
Sie stutzte als sie weiterlas.
Er forderte sie dazu auf, sich nicht bei ihm zu melden oder nach ihm zu fragen.
Er habe seine Gründe.
Abschließend wünschte er ihr noch ein glückliches Leben.

Wenige Tage danach holte sie ihre Mutter zu sich.
Beide waren froh diese letzten Tage noch miteinander verbringen zu können.

~*~

Edward lag gerade im Aufenthaltsraum auf einer Couch und versuchte dort zu schlafen.
Angela war im Urlaub und solange würde er es ausnutzen und so viele Schichten schieben, wie es ihm möglich war.
Die nächste würde bald beginnen, weshalb er noch ein wenig Schlaf aufschnappen wollte.
Seit er sich so Hals über Kopf in die Arbeit stürzte, träumte er nicht mehr.
Sein Verstand war wahrscheinlich einfach zu müde, um auch nur irgendwie zu träumen.
Er nutzte viel lieber die Chance, ein wenig Ruhe zu bekommen.

Müde drehte er sich gerade auf den Bauch, als sein Piepser anging.
Grummelnd schaute er drauf.
Ein Notfall.
Naja. Es war später Abend.
Wahrscheinlich konnte er zwischendurch ein wenig Schlaf erhaschen.
Er stand auf und machte sich schnell auf den Weg.
Ein wenig wunderte es ihn, dass er als Krankenschwester gerufen wurde.
Normalerweise wurden die Leute von der Intensivstation angepiept und nicht die von der normalen Krankenstation.

Er kam oben bei der Schwesternstation an.
Dort traf er auf Mike.
"Mike?"
Der Angesprochene drehte sich um.
"Hey Ed. Zimmer 211."
"Öhm. Okay."
Mike hatte ihn seltsam angesehen.
Hatte er irgendwas im Gesicht?
Ein wenig eitel war er ja schon, weshalb er im Vorbeigehen in ein Fenster schaute, in dem er sich spiegelte.
Er fand nichts außer vielleicht ein paar Falten von dem Kissen, auf dem er gerade noch gelegen hatte.

Er klopfte an und ging rein.
Es war außer dem Patient nur noch ein Arzt da, der sich auch gerade verabschiedete.
"Ich habe Ihnen doch gesagt, ich will Sie hier nicht mehr sehen."
Müde lächelte der Arzt.
Dr. Stevens drehte sich zu Edward um.
"Mr. Cullen? Was machen Sie denn hier?"
Verwundert, dass der Arzt ihn nicht angepiept hatte, antwortete er nur: "Ich... ich wurde angepiept. Newton meinte Raum 211. Ich muss mich getäuscht haben."
Er schüttelte kurz den Kopf.
"Tut mir Leid wegen der Störung."

"Nein. Entschuldigen Sie, Mr. Cullen.", diese Stimme kannte er doch, "Ich habe Sie rufen lassen."
Die ganze Zeit über hatte er nicht zu dem Patienten geguckt.
Jetzt erkannte er sie.
"Bella?", fragte er verwundert.
Das verstand er nun gar nicht.
"Ich wollte Sie nicht stören, aber ich hatte Angst und... ich weiß auch nicht."
Knallrot senkte sie ihren Kopf und spielte wieder mit ihrer Decke.

Dr. Stevens beobachtete uns beide. Dann lächelte er umsichtig.
"Ich könnte wetten, dass Mr. Cullen das verstehen kann. Er hat sie schließlich das letzte Mal auch betreut. Ich lasse sie beide dann allein. Ich muss zu einem anderen Patienten. Auf Wiedersehen, Ms. Swan."
Mit diesen Worten verließ er den Raum.
Verwirrt schaute er die hübsche, junge Frau vor sich an.

"Könntest du dich vielleicht setzen?", fragte Bella leise.
Es war das erste Mal, dass sie ihn duzte.
"Selbstverständlich."
Er nahm neben ihrem Bett auf einem der Stühle Platz.
Erleichtert atmete sie aus.
"Danke."
Jetzt lächelte sie ihn auch wieder an.
"Nichts zu danken. Überhaupt wofür?", fragte Edward.
Er kannte schließlich nicht den Grund für seine Anwesenheit.

"Dafür, dass du nicht direkt wieder gegangen bist und einfach da bist.", murmelte sie.
Prompt wurde sie wieder rot. Jetzt musste er einfach lächeln. Er legte seinen Kopf leicht schief.
"Dafür müssen Sie sich nicht bedanken."
"Duz mich doch auch bitte. Schließlich kann ich dich nicht mehr siezen."
Kurz wunderte er sich.
Sie konnte nicht mehr?
"Öhm. Okay."
Wieder lächelte sie.

"Wieso bist du wieder da, Bella?"
Er mochte sie. Aber er wollte sie nicht hier im Krankenhaus wiedersehen. Das war kein gutes Zeichen.
"Ich war mit meinem Hund spazieren. Dann bekam ich plötzlich keine Luft mehr. Ich muss wohl in Ohnmacht gefallen sein. Das nächste woran ich mich wieder erinnere ist, dass die Sanitäter mich hier in die Notaufnahme gefahren haben."
Er seufzte. Das sah nicht gut aus.
Ein Spaziergang war nun wirklich nicht so anstrengend, dass das Herz davon überanstrengt sein sollte.
Er atmete tief durch.
"Wer kümmert sich denn jetzt um deinen Hund?"
Sie hatte ihm von der dänischen Dogge erzählt, als sie das letzte Mal hier gewesen war.
"Ich weiß nicht. All meine Freunde sind zur Zeit nicht da oder zu beschäftigt. Meine Nachbarin hat sich das letzte Mal um ihn gekümmert, aber die hat sich letzte Woche das Bein gebrochen."
Sollte er...?
"Soll ich mich solange um Duke kümmern?", bot er ihr an.
Sie schaute ihn mit ihren schönen Augen an.
"Würdest du das tun? Das wäre wirklich lieb. Aber er macht so viel Arbeit. Du musst nicht. Wirklich nicht."
Sie verhaspelte sich fast, weil sie so schnell sprach.
"Kein Problem. Ich kann mit Hunde. Ich mag sie. Und solange du hier bist, werde ich mich um ihn kümmern. Das ist für mich wirklich kein Ding.", lächelte er.
"Danke."
Wieder wurde sie leicht rot.
Er fand diese Angewohnheit irgendwie wirklich süß.

Für diesen Gedanken hätte er sich ohrfeigen sollen, aber er konnte einfach nicht anders.
Er steckte bereits zu tief drin.

Sie unterhielten sich noch eine Weile.
Als sie ihn über sein Leben befragen wollte, wich er sämtlichen Fragen aus und verschwand schnell mit der Ausrede, er müsse jetzt seine Schicht antreten. Er käme später noch einmal vorbei.

Er kam später nicht noch einmal vorbei. Denn seine Furcht war zu stark.
Sie war ihm sympathisch und er mochte sie, dennoch konnte er ihr nichts von sich erzählen. Es ging einfach nicht.
Frustriert schüttelte er seinen Kopf, während er zu ihr nach Hause fuhr, um den Hund zu holen.
Ihre Adresse kannte er aus den Unterlagen.
Der Hund saß bereits im Vorgarten und wartete darauf versorgt zu werden.
Er streichelte ihm kurz über den Kopf.
"Hey Duke. Gewöhn dich besser an mich. Wir werden uns jetzt 'ne Weile sehen."
Der Hund schaute ihn wartend an.
Wahrscheinlich hatte er Hunger.

Der Schlüssel zu Bellas Haus war wie bei fast allen Leuten in dieser Gegend unter der Fußmatte.
Sie hatte schließlich einen Wachhund, naja jedenfalls einen großen Hund.
Schnell schloss er auf und ging dicht von Duke gefolgt in das Haus.

Nachdem der Hund gefressen hatte und eine Runde Gassi war, fuhren sie zu dem Motel.
Der Besitzer regte sich darüber auf, dass es eine klare Hundeverordnung gab und dass das ja schon kein Hund mehr sei, sondern viel mehr ein Pony.
Edward ignorierte ihn einfach und meinte nur: "Dann kommen Sie wieder, wenn sie eine Ponyverordnung haben."
Damit schloss er die Tür vor der Nase des Besitzers.
Duke war ein angenehm ruhiger Hund.

~*~

Die nächsten Tage bekamen ihren ganz eigenen Rhythmus.
Morgens stand Edward auf, duschte, trank seinen Kaffee, ging mit dem Hund Gassi, nachdem er ihn gefüttert hatte, fuhr zur Arbeit und verbrachte dort die kurzen Pausen mit Bella.
Anschließend fuhr er zu dem Motel, fütterte Duke erneut, ging wieder eine Runde Gassi und legte sich anschließend schlafen.

Seit er diese Routine inne hatte, träumte er nachts auch nicht mehr von dem schrecklichen Tag.
Er und Bella verstanden sich von Tag zu Tag besser.
Seine Kollegen informierten ihn regelmäßig darüber, wie es ihr ging.
Anfangs war Angela skeptisch gewesen, aber als sie sah, wie Edward förmlich aufblühte, freute sie sich mit ihm.

Heute war der Tag ihrer Entlassung.
Edward seufzte schwer.
Heute Morgen hatte er den Hund schon zurückgebracht.
Er vermisste ihn schon ein wenig. Zwar nahm er in dem ohnehin schon kleinen Zimmer viel Platz weg, aber trotz allem war er einfach ein angenehmer Partner gewesen.
Bella stand nun vor ihm.
Er hatte sie nach Hause gefahren.Die Ärztin hatte ihn aufgeklärt.
Es sah nicht gut aus. Bella hatte eine seltene Blutgruppe. Ein Spenderherz zu finden, welches zu ihr passte und welches ihr Körper hoffentlich nicht abstoßen würde, wäre in dieser kurzen Zeit, die ihnen noch blieb, kaum machbar. Ihre Chancen waren äußerst gering. 3-5% hatte sie gesagt.
Edward hatte es fast das Herz zerrissen.

Er hatte Bella in sein Herz geschlossen.
Sie waren ab und zu rausgegangen, wenn die Ärzte es erlaubten, und hatten sich in den kleinen, schön angelegten Park vor dem Krankenhaus auf eine Bank gesetzt.
Dort hatten sie sich lange unterhalten.
Sie hatte sich langsam in sein Herz geschlichen. Und nun sollte sie ihm wieder entrissen werden.
Das konnte doch nicht wahr sein.
Er musste sowas wie ein Todesengel sein.
Alle Menschen, die er liebte, starben ihm weg.

"Ed, lass den Kopf nicht hängen. Ich wette, sie finden ein Herz.", hatte Bella gesagt, nachdem sie seinen traurigen Blick gesehen hatte.
Er hatte den restlichen Tag von Angela frei bekommen.
"Und was wenn nicht?", fragte er leise.
"Dann hatte ich wenigstens eine schöne letzte Zeit."
Sie lächelte ihn aufmunternd an und nahm ihn in den Arm.
Sollte es nicht andersherum sein? Sollte er nicht sie im Arm halten, weil sie Angst haben sollte?

Sie küsste ihn kurz auf die Wange.
"Hast du Lust morgen mit mir zu Abend zu essen? Ich will nicht gleich wieder so allein zu Hause rumsitzen."
Er schaute sie verwundert an. Die Antwort auf diese Frage war nicht schwer.
"Gerne. Um wieviel Uhr soll ich da sein?"
Er durfte sich keine falschen Hoffnungen machen.
Bella sah ihn wahrscheinlich als guten Freund an und nicht als potentiellen Freund.
"So gegen 19 Uhr?"
"Geht in Ordnung. Soll ich irgendwas mitbringen?"
"Nein. Nur dich.", lächelte sie.

Zum Abschied küsste sie ihn nochmal auf die Wange und stieg dann endgültig aus dem Wagen aus.
Er schaute ihr hinterher, bis sie hinter der Haustür verschwand.
Dann startete er den Motor und fuhr wieder zu seinem Motel.

~*~

Als er seine Schicht antrat, war er immer noch total durch den Wind.
Die Träume waren wieder da. Und heftiger denn je.
Als ob sie sich dafür rächen wollten, dass er ihnen so lange keine Beachtung geschenkt hatte.
Angela sah ihm sofort an, dass es ihm richtig schlecht ging.
Sie dachte, es läge daran, dass Bella entlassen worden war, aber das war nur ein Teilgrund.
Sie ließ ihn nur Papierkram erledigen.
Er nahm es ihr nicht übel. Er hätte genauso gehandelt.
Das Problem war nur, dass er so nicht von den Erinnerungen wegkam. Sie holten ihn immer wieder ein.
Er hatte bestimmt schon fünf Ohrfeigen von Mike einstecken müssen.
Angela traute sich nicht weiter nachzufragen.

Stattdessen rief sie Jasper an.
Dieser kam auch vorbei. Im Nachhinein hätte er sich gewünscht es nicht getan zu haben.
Das Gespräch mit Edward hatte ihm Angst gemacht.
So hatte er seinen besten Freund noch nie gesehen.
Zum Glück war Alice nicht mitgekommen. Es hätte ihr das Herz gebrochen.
Wenn er geglaubt hatte, Edward hätte das letzte Mal schrecklich ausgesehen, wie sah er dann jetzt aus?
Er war definitiv nur noch ein Schatten seiner selbst.
Die Sache zerfraß ihn innerlich. Keiner konnte ihm helfen, wenn er es nicht wollte.
Und das war gerade das Traurige. Er dachte, nein er war davon überzeugt, es sei seine gerechte Strafe.

Kopfschüttelnd setzte er sich in seinen Wagen.
Edward hatte ihm einen Umschlag in die Hand gedrückt und ihm gesagt, dass er ihn nicht öffnen dürfe, bevor Edward es ihm auftrage.
Als guter Freund hielt er sich schweren Herzens daran.
Er fragte sich, was genau darin stand. Aber er widerstand der Neugierde.
Alice dürfte er von diesem Umschlag nichts erzählen. Sie würde ihn sofort öffnen, weil sie hoffen würde, eine Antwort auf Edwards Verhalten zu erfahren.

~*~

Nun stand er hier. Schweißnasse Hände und hochgradig nervös.
Er schaute schon zum dritten Mal auf die Uhr. Er war pünktlich.
Fahrig fuhr er sich durch seine Haare und klingelte.
Er hörte Duke bellen. "Duke!"
Dann ging die Tür auf und Bella stand leicht errötet vor ihm.
"Hey.", lächelte sie ihn an.
"Hey."
"Komm rein."
Sie trat einen Schritt beiseite, damit er Platz hatte.
"Gerne."

Sie gingen gemeinsam in die Küche. Bella hatte kein Esszimmer oder dergleichen.
Das Haus war recht klein. Es passte aber zu Bella.
Es war ein wenig unordentlich, machte es aber keineswegs schmuddelig sondern vielmehr heimisch.
Wie gesagt, es passte zu Bella.

Duke begrüßte ihn kurz.
Er strich dem großen Hund einmal kurz über den Kopf.
Seltsamerweise kam ein Gefühl in ihm hoch, das er schon gar nicht mehr zu kennen glaubte.
Es fühlte sich an, als ob er seinen Platz im Leben gefunden hätte.
Reumütig lächelte er kurz, bevor Bella sich zu ihm umdrehte und ihn anlächelte.
"Was gibt's denn?", fragte er schnell, damit sie seinen Gesichtsausdruck nicht bemerkte.
"Pilzravioli. Ich hoffe, dir schmeckt es. Und wenn nicht, dann tu wenigstens so, für mich."
Er lächelte sie an.
"Hört sich zumindest schon mal lecker an und es riecht auch so."
Dankbar lächelte sie ihn an.

~*~

Sie aßen gemeinsam in der Küche.
Als sie fertig waren, fingen sie eine kleine Unterhaltung an.

"Danke."
"Wofür denn dieses Mal?"
Verwundert zog Edward seine Augenbraue hoch.
"Du hast das Unkraut beseitigt. Ich hätte es ja auch gemacht, aber ich hab nie lange durchgehalten."
Sie schaute, während sie sprach, auf ihre Hände.
"Ach. Das hab ich doch gerne gemacht. Ich wusste sonst nichts mit mir anzufangen. Außerdem hatte Duke heimweh."
Er wollte nicht, dass in irgendeiner Weise eine traurige Stimmung aufkam. Dafür fühlte er sich gerade zu wohl.
"Trotzdem danke."

"Als was hast du eigentlich gearbeitet? Also früher?", fragte Edward nach einer Weile.
Er interessierte sich für ihr früheres Leben, auch wenn er wusste, dass es unfair war, dass er keine ihrer Fragen beantwortete.
"Ich war Kinderbuchautorin.", lächelte sie.
"Die Arbeit scheint dir Spaß gemacht zu haben."
Das Lächeln auf ihren Lippen war ansteckend.
Schon den ganzen Abend konnte er nicht aufhören zu lächeln, zu schmunzeln oder zu lachen.
"Ich habe diese Arbeit geliebt. Aber durch die vielen Probleme kam ich nicht mehr so richtig zum Schreiben. Außerdem wollte ich keine Geschichten schreiben, wenn es mir so schlecht ging. Das überträgt sich meist auf die Geschichte.", erklärte sie.
"Und hast du vor wieder Kinderbücher zu schreiben, wenn du dein neues Herz hast?"
Sie nickte.
"Ich könnte mir keinen anderen Beruf wünschen."

Sie unterhielten sich noch eine Zeit lang.
Irgendwann wurde es spät und Edward wollte wieder zurück zum Motel.
Bella brauchte ihre Ruhe und er wollte sie nicht weiter stören.
Egal wie oft sie sagte, dass er nicht störe.
Zum Abschied umarmte sie ihn noch einmal und küsste ihn auf die Wange.
"Danke."
Sie blinzelte ihn verwirrt an.
"Wofür?"
"Dafür, dass du so bist, wie du bist."
Dann drehte er sich schnell um und ging zu seinem Auto.

Auf dem Weg zum Motel fragte er sich, warum er ihr nicht gesagt hatte, was er ihr eigentlich hatte sagen wollen.
Er wusste es nicht.
Verwirrt und ein wenig aufgewühlt ging er zu Bett.

~*~

Die nächsten Tage vergingen ähnlich.
Er ging zur Arbeit und besuchte Abends seine heimliche Liebe.
Er traute sich nicht, ihr diese zu gestehen.
Zudem fürchtete er sich vor diesem einen Tag.
Was wäre, wenn sie starb?
Die Ärzte gaben ihr bei ihrer Entlassung noch einen Monat. Höchstens sechs Wochen.
Er war verzweifelt.

An einem Morgen war ihm eine Idee gekommen und er würde sie noch in den nächsten Tagen umsetzen.

~*~

"Masen?", sprach er verschlafen in den Hörer seines Handys.
"Edward?"
Das klang nach Bella.
"Bells?"
Er wurde ein wenig munterer.
Nachdem er ein wenig rumgetastet hatte, fand er den Lichtschalter für die kleine Nachttischlampe.
"Hab ich dich geweckt?", kam es unsicher vom anderen Ende.
"Nicht wirklich. Außerdem wäre es nicht so schlimm, so lange du es bist."
Mist.
So verpennt wie er war, sagte er einfach, was er dachte. Für den Wortfilter brauchte er mindestens zwei Tassen Kaffee. Und den letzten Satz wollte er ihr definitiv nicht sagen.
"Weshalb rufst du an?", fragte er deshalb schnell.

"Öhm. Ich konnte nicht schlafen.", gestand sie leise.
Er lächelte leicht.
"Und wie soll ich dir da weiterhelfen?"
Das war schließlich eine berechtigte Frage.
"Naja... Könntest du mir einfach eine Geschichte erzählen? So eine Gute-Nacht-Geschichte. Vielleicht schlaf ich dann ein.", fragte sie leise.
Er stutzte kurz.
"Okay."
Er erzählte ihr von dem Mädchen, welches glaubte sich in einen Vampir verliebt zu haben. [AN: Irgendwo musste Twilight ja mal erwähnt werden.]
Als er geendet hatte, seufzte sie frustriert.
"Es hat nicht wirklich geklappt."
"Und wieso nicht? War dir das Ende zu lahm oder hatte es allgemein etwas mit der Geschichte zu tun?"
Sie druckste ein wenig herum.
"Nein, viel mehr damit, dass ich dir viel zu gerne zuhöre."
Das kam so leise, dass er es fast nicht verstanden hätte.
"Vielleicht sollte ich dann lieber auflegen, damit du in Ruhe einschlafen kannst?"
"Nein!", kam es schnell als Antwort, "Könntest du vielleicht einfach dran bleiben und warten, bis ich eingeschlafen bin?"
Er wunderte sich etwas über diese Bitte.
"Sicher."
"Danke."
Und so schwieg er.
Nach fünf Minuten hörte er ein gleichmäßiges, ruhiges Atmen vom anderen Ende.
Er lächelte und legte auf.
In dieser Nacht holten ihn die Träume nicht ein.

~*~

Von: Bella
An: Edward
Betreff: Heute Abend


Ich hab eine kleine Überraschung für dich. Komm bitte heute Abend zu mir nach Hause. Punkt 18 Uhr.
Hab dich lieb
Bella


Seit er die Email gelesen hatte, war er total aufgekratzt gewesen.
Sie sahen sich zwar jeden Abend, aber so eine Einladung hatte er seit einer Woche nicht mehr von ihr bekommen.
Sie hatten sich einfach immer abends getroffen.
Außerdem was für eine Überraschung?

Punkt 18 Uhr stand er vor ihrem Haus.
Wenn er geglaubt hatte, dass er das letzte Mal aufgekratzt gewesen sei, dann hatte er sich getäuscht.
Er klingelte und wartete beinahe ungeduldig darauf, dass die Tür sich öffnete.
Erst hörte er wie immer den Hund, dann Bella und dann ging auch schon die Tür auf.
Sie lächelte ihm schüchtern entgegen.
"Komm rein."
Schnell machte sie ihm Platz und er trat ein.
Sie umarmten sich noch zur Begrüßung und gingen anschließend in die Küche.

Dort aßen sie schweigend.
Es herrschte eine merkwürdige Anspannung in der Luft.
Er wusste nicht genau, woher die kam.
Nachdem sie fertig gegessen hatten, versuchte er sich mit ihr zu unterhalten, aber keine Chance.
Sie war total unaufmerksam, was ihn wunderte.

"Bells, was ist los?", fragte er dann irgendwann.
Sie schaute ihn ertappt an.
"Was sollte los sein?"
"Das weißt du genau."
Seufzend gab sie sich geschlagen.
"Ich will dir etwas sagen, weiß aber nicht so recht wie.", gestand sie ihm dann leise.
Wieder hatte sie einen leichten Rotschimmer auf ihren Wangen.
"Du weißt, du kannst mir alles sagen. Also?"
Unsicher schaute sie kurz auf ihre Hände, dann zu ihm.
"Ich... ich glaube...", stotterte sie, "Ach Mist!", kam es dann plötzlich von ihr.
Verwundert zog er beide Augenbrauen zusammen.

Bella stand von ihrem Platz auf und ging zu ihm.
Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände.
Es fühlte sich so gut an.
Dann beugte sie sich langsam vor und legte ihre Lippen auf seine.
Wenn er geglaubt hatte, dass ihre Hände auf seinem Gesicht ein schönes Gefühl waren, was war dann das hier?
Er erwiderte etwas unsicher den Kuss.
Als Bella das bemerkte, lächelte sie leicht.

Sie nahm seine Hände und zog ihn hinter sich her.
Wohin wusste er erstmal nicht so genau. Aber das war ihm auch egal.
Den Kuss unterbrachen sie kein einziges Mal.
Ein paar Mal stolperte Bella über etwas, aber Edward legte einfach seine Arme um ihre Mitte, so dass sie nicht fiel.
Ihr Weg endete in ihrem Schlafzimmer.

Jetzt wurde Edward wieder unsicher.
Ging das nicht zu schnell?
Aber Bella schien keine Zweifel zu haben.
'Sie hat auch keine Zeit mehr.', kam ihm der Gedanke.

~*~

"Ich liebe dich.", wisperte sie leise.
Sie lagen beide noch schweratmend nebeneinander.
Er hatte seine Arme um sie gelegt.
Ihren Kopf hatte sie in seiner Halsbeuge versteckt und küsste ihn immer wieder auf diese.
"Ich liebe dich auch."
Sie lächelte glücklich.

~*~

Als sie eingeschlafen war, stand er leise auf.
Er zog sich an und betrachtete sie eingehend.
Während er sich neben ihr Bett kniete, strich er ihr noch eine Strähne ihres braunen Haares aus ihrem Gesicht.
Er prägte sich jedes einzelne Detail ein.
"Ich liebe dich so sehr.", murmelte er leise.
Dann ging er.

~*~

Etwas ängstlich stand er in dem Zimmer.
Gerade hatte er noch mit einem Mann telefoniert, den er im Krankenhaus kennengelernt hatte.
Er hatte eine Hilfsorganisation und brauchte dringend Geld.
Edward wollte ihm so sehr helfen und mit diesem Anruf hatte er es getan.

Zufrieden, aber immer noch mit einem komischen Gefühl saß er auf dem kleinen Sofa.

"Was wäre, wenn morgen mein Pieper losging und ich mein neues Herz bekäme?"
"Ich würde dich sofort heiraten.", lachte er.
"Oh ja. Und dann kriegen wir ganz viele kleine Kinder. Die werden so hübsch.", schwärmte sie.
Ihm war keineswegs entgangen, dass sie von der tatsächlichen Zukunft sprach, während er bei der reinen Theorie blieb.
"Ja, das würden sie werden. Bei der Mutter."
"Ach Quatsch. Allein wegen des Vaters!", lachte sie nun.


Ja, was wäre wenn.
Traurig lächelnd schüttelte er den Kopf.
Nein. Kein Wenn. Kein Wenn mit ihm.

"Denkst du oft an den Tod?", fragte sie ruhig und nachdenklich.
"Nein. Nur gelegentlich. Ich arbeite schließlich in einem Krankenhaus. Man gewöhnt sich irgendwie an den Gedanken, finde ich."
"Ich denke immer an den Tod. Er macht mir Angst.", gestand sie leise.
"Du brauchst keine Angst haben."
Er nahm sie in den Arm.
"Ich werde immer bei dir sein."


Wieder holten ihn Erinnerungen ein.
Diese schmerzten fast mehr als jene vom Unfall.
Stumm liefen ihm Tränen die Wangen hinunter.
Er war glücklich gewesen. Und damit sein Glück weiter lebte, musste er das jetzt durchziehen.

"Jah?", kam es verschlafen vom anderen Ende der Leitung.
"Jasper?"
"Edward?! Was willst du? Es ist halb fünf Uhr morgens!"
"'Tschuldige, aber ich wollte dir sagen, dass du bitte den Umschlag öffnen sollst. Um 8 Uhr."
"Was aber wieso?"
"Tu es einfach. Bitte."
"Na gut. Wo bist du und wie geht's -"
Er hatte schon aufgelegt.

Noch ein Anruf und dann wäre er so weit.
Es tutete.
"Ja?"
"Alice?"
"Oh mein Gott! Edward!"
Sie klang so glücklich und froh.
"Wie geht's dir? Wo bist du? Was machst du gerade? Willst du vielleicht vorbeikommen?"
Er lächelte kurz.
So kannte er seine Schwester.
Sie hatte nicht einmal Luft geholt vor lauter Aufregung, trotz dieser doch eher unchristlichen Zeit.
"Mir geht es fantastisch. Mir ging es noch nie besser. Ich bin in dem kleinen Motel, wo Emmett 'ne zeitlang gejobbt hat. Ich kann leider nicht vorbeikommen. Ich werde auch nicht mehr vorbeikommen. Ich wollte mich nur noch einmal von dir verabschieden Schwesterherz."
Stille am andern Ende der Leitung.
Dann ein leises Schluchzen.
"Edward, ich vermisse dich so sehr. Bitte komm doch noch einmal vorbei. Bitte. Wir können über alles reden."
"Es tut mir Leid, Alice. Ich liebe dich, kleines Schwesterchen."
"Edward, was -"
Und wieder hatte er einfach aufgelegt.

"Los Angeles Notrufzentrale. Wie kann ich Ihnen helfen?"
"Ich melde ihnen einen dringenden Notfall."
"Wo sind Sie, mein Herr?"
Er nannte ihr die Adresse.
"Und um was für einen Notfall handelt es sich?"
"Suizid."
"Und um welche Person."
"Um mich."
Damit klappte er das Telefon zu.

~*~

Er setzte sich mit seinen Klamotten in das eiskalte Wasser.
Es schmerzte in seinen Gliedern, aber nur so ging es.
Als er ganz in der Wanne lag, stieß er mit dem Fuß den Eimer mit der Qualle um.
Es war eine Würfelqualle. Sein Vater hatte ihm erzählt, wie gefährlich ihr Gift war, dass es sogar Menschen töten konnte.
Für ihn waren diese Tiere immer unheimlich faszinierend gewesen.

Als er einen starken Schmerz im rechten Arm spürte, wusste er, dass es endgültig war.
Und obwohl er diesen Gedanken erschreckend fand, empfand er zeitgleich tiefste Genugtuung.
Wenigstens würde sie weiterleben.

Mit dem Schmerz überrollten ihn die Erinnerungen.

Wir, das heißt Emmett, seine Freundin Rosalie und meine beste Freundin Tanya, fuhren gemeinsam in meinem Wagen zu unserem Haus.
Alice erwartete uns bereits, da sie uns ihren Freund vorstellen wollte.
Sie war deswegen schon ziemlich nervös.
In dem Wagen hinter uns fuhren meine Eltern.
Wir waren zuvor in unserem Lieblingsitaliener essen gewesen.
Immer wieder erhielt ich SMS von Alice.
Immer wieder hatte ich versucht sie zu beruhigen.

"Ed, leg das dumme Teil weg. Konzentrier dich besser auf den Verkehr.", meinte Tanya nach der dritten SMS zu mir.
Ihr war nicht ganz wohl bei der Sache.
Ich wollte auch nur noch diese eine SMS abschicken.
"Ja, Sekunde, ich muss nur noch-"
Dann blendeten mich plötzlich Schweinwerfer.
"Edward, pass auf!", schrien Tanya, Emmett und Rose.
Ich reagierte zu spät.
Ich war auf die Gegenfahrbahn gekommen.
Noch während ich versuchte das Lenkrad rumzureißen, prallte der andere Wagen in die Beifahrerseite.
Der Aufprall war heftig. Unser Wagen wurde quasi hochgehebelt von dem anderen.
Durch die hohe Geschwindigkeit hatten wir einfach keine Chance.
Der Wagen flog mit uns in hohem Bogen über den anderen und überschlug sich noch ein paar Mal.
Überall waren Schreie. Ich hörte wie das Glas zerbrach und das Metall sich verbog.
Dann wurde es erschreckend still.
"Rose?"
Keine Antwort. Mein Herz setzte kurz aus.
Vielleicht war sie 'nur' bewusstlos.
"Emmett?!"
Wieder keine Antwort. Es schnürte mir beinahe die Kehle zu.
'Nein. Nein. NEIN!'
Bitte lass sie wenigstens bei Bewusstsein sein.
"Tanya?", wimmerte ich mehr.
Keine Antwort.
"Tanya!"
Danach war einfach alles schwarz um mich.


Er vermisste sie alle.
Er glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod. Aber er hoffte für sie, dass es eines gab.
Dann wurde zum letzten Mal alles schwarz um ihn.