Shadowlands
Der andere nickte zustimmend und musterte Bella mit wachsamen Augen. „Was meinst du? Wenn er nicht mehr so ein Schönling ist, dann will sie ihn vielleicht nicht mehr. Oder was meinst du, Süße?“, richtete er das Wort wieder an Bella.
Doch an ihrer Stelle antwortet der Blonde wieder. „Ich denke, da könntest du Recht haben. Außerdem sollten wir ihn mal auf seinen Platz verweisen und sein Ego ein wenig stutzen. Ist ja unerträglich der Kerl.“
Noch bevor Edward oder Bella hätten reagieren können, hatte der Braunhaarige Edward an der Kehle gepackt und gegen das Regal hinter ihm gestoßen. Bella war erschrocken zur Seite gesprungen, während ihr zugleich ein Quieken entwichen war.
Der Blonde grinste belustigt und kam währenddessen langsam mit einem breiten, langen Jagdmesser bewaffnet auf Edward zu, der jedoch viel mehr damit beschäftigt war, sich aus dem Griff des anderen zu befreien.
Bella wollte dazwischen gehen, aber die Angst hatte sie dazu verdammt, stehen zu bleiben. Regungslos. Sie starrte entsetzt das Messer an, das sich langsam ihrem Mann näherte.
Sie wollte schreien, dazwischen gehen, ihren Mann irgendwie verteidigen, aber sie konnte nicht.
Als der Blonde das Messer an Edwards Wange ansetzte, sah er nochmal zu Bella, die ihm sehr zu seinem Vergnügen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. „Sieh genau hin. Das ist das letzte Mal, dass du ihn so sehen wirst.“, lachte er und drückte das Messer langsam in das Fleisch, nachdem er es für eine Sekunde betrachtete, wie ein Künstler die noch leere Leinwand.
Verflucht, schrei doch endlich! Tu etwas. Steh nicht so da!
Sie schrie sich selbst in Gedanken an, aber nichts passierte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und ihr Mund ausgetrocknet.
Bella blickte in die grünen Augen ihres geliebten Mannes, in denen sie die Angst und die Schmerzen sah, die er empfand, der gerade vor ihr verletzt wurde. Und sie konnte sich nichts vormachen. Es war wahrscheinlich, dass sie beide das nicht überleben würden. Die Täter wären dumm, wenn sie sie leben ließen.
Ihr Mund formte stumm die Worte ‚Nein‘ und ‚Stopp‘, aber niemand hörte sie.
Sie sah erstarrt zu, wie ihr Mann mit einem Messer verunstaltet wurde und um sein Leben kämpfte, und sie tat nichts. Seine Augen zeigten so viel Schmerz. Sie konnte die Schmerzensschreie hören, obwohl sie seinen Mund nie verließen.
Schweißgebadet wachte sie genauso wie die letzten Wochen von Alpträumen geplagt auf. Sie keuchte und Tränen liefen über ihre Wangen. Nein, er war nicht tot. Er war nicht tot, schrie sie in Gedanken immer wieder, er lebt.
Wie um sich selbst zu versichern, drehte sie sich zur Seite, nur um von einer leeren Betthälfte förmlich ausgelacht zu werden.
Nein, er lebt. Wahrscheinlich ist er im Bad.
Schnell machte sie sich auf den Weg in Richtung des Badezimmers.
Dort hörte sie auch die für ihn typischen Geräusche. Sie atmete erleichtert aus, obwohl sie es ja gewusst hatte. Aber der Alptraum hatte so echt auf sie gewirkt, dass sie ihn beinahe für die Realität gehalten hätte.
Leise klopfte sie an die Tür. „Komm rein.“, kam sofort als Antwort.
Zufrieden und erleichtert erblickte sie ihren Mann vor dem Spiegel. Irgendetwas musste ihn abgelenkt haben während des Rasierens, da seine linke Wange über und über mit Klopapierstückchen war. Er drehte sich leicht zu ihr und lächelte sie schief an. Als er sich wieder dem Spiegel zuwandte, um sich seinen Bartstoppeln weiter zu widmen, schnitt er sich erneut an den Klingen seines Rasierers.
Seltsam. Diesen Schmerz verzerrten Gesichtsausduck hatte sie noch nie bei ihm gesehen. Seltsam.
„Alice, nicht schon wieder.“
„Aber, Bella, du hast doch selbst bemerkt, dass er sich anders verhält. Er ist nicht der, für den du ihn hältst.“
Bella standen bereits die Tränen in ihren Augen. Wie konnte ihre beste Freundin, die Schwester ihres Mannes, so etwas sagen?
Sie hatte doch nur erzählt, dass sie sich um ihn sorgte, seit er seinen Job verloren hatte. Es schien ihm überhaupt nichts auszumachen. Als ob es total unwichtig sei.
„Bella.“ Sie kannte diesen Ton ihrer Schwägerin nur zu gut. Jetzt kam wieder das Gespräch. Noch bevor Alice ein weiteres Wort sagen konnte, unterbrach Bella sie.
„Fang nicht wieder damit an.“, zischte sie.
Alice blickte sie mit ihren großen, grünen Augen traurig und zugleich besorgt an. „Aber Bella-“
„Oh, es ist schon spät. Ich muss los.“ Schnell erhob Bella sich von dem Stuhl und eilte aus der Küche.
„Nein, Officer! Wissen Sie, ich habe nicht wirklich darauf geachtet, wer gerade meinen Mann erst gequält und dann umgebracht hat. Wieso sollte ich auch?!“ Ihre Stimme hallte durch das Polizeipräsidium.
„Miss-“
„Misses. Gehört?! Misses. Nicht Miss. Mein Name ist Mrs. Isabella Marie Cullen.“
„Mrs. Cullen, es tut mir wirklich leid, dass Ihr Mann nicht mehr unter uns weilt. Ich wollte auch nicht den Anschein erwecken, als würde ich glauben, dass Sie Ihren Mann nicht geliebt haben-“
„Ich liebe ihn immer noch!“, zischte sie und ihr Blick ging hektisch durch den Raum. „Wo ist er hin?“
Mit einem Schlag war sie leichenblass. „Edward?“ Ihre Stimme zitterte verdächtig und ihr Atem ging schneller. Ihr wurde schlecht und alles drehte sich plötzlich um sie. „Edward?!“
„Mrs. Cullen, Ihr Mann kann Ihnen nicht antworten. Er ist tot und Sie haben gerade, so wie ich das sehe, einen Nervenzusammenbruch. Also beruhigen Sie sich bitte. Atmen Sie tief durch.“
Als er, vermutlich um sie zu beruhigen, eine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie heftig zusammen und sprang von dem Stuhl auf.
„Fassen Sie mich nicht an! Bringen Sie mich zu meinem Mann! Ich will zu meinem Mann. Sofort! Edward!“
Wieder wachte sie schweißgebadet von einem Alptraum auf.
Warum hatte sie diese schrecklichen Alpträume?
Sie schüttelte ihren Kopf, während sie spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen.
„Schatz?“, fragte die verwirrte und verschlafene Stimme ihres Mannes. „Geht es dir gut?“
Er hatte die Frage noch nicht ganz fertig gestellt, da war sie bereits zu ihm herumgewirbelt und hatte sich an ihn geklammert.
„Versprich mir, mich niemals allein zu lassen, ja?“, wimmerte sie an seinem Hals. „Ich würde das wahrscheinlich nicht heil überstehen.“
Er seufzte leise und zog sie in seine Arme. „Liebes, ich kann dir das nicht versprechen, jedenfalls nicht mit gutem Gewissen. Ich weiß doch nicht, was in Zukunft passiert.“
„Trotzdem. Bitte.“
„Bella.“ Er machte eine Pause und atmete tief durch. „Was ist, wenn mein Flugzeug abstürzt? Oder ich einen Unfall mit dem Auto habe? Oder von einem Bus überfahren werde?“
„Ganz einfach. Du verlässt das Haus nicht mehr.“
Er lachte daraufhin. „Ich kann doch nicht für den Rest meines Lebens im Haus bleiben.“
„Oh doch. Du weißt ja gar nicht, was man heutzutage alles für Möglichkeiten hat.“
Er hörte auf zu lachen und sah sie ernst an. „Liebes, sei vernünftig. Du könntest auch ohne mich glücklich werden. Vielleicht nicht sofort, aber irgendwann würdest du weiterleben.“
Sie sah ihn wenig überzeugt an.
„In Ordnung. Ich verspreche dir, mich niemals freiwillig in Lebensgefahr zu begeben, und dafür versprichst du mir, dass du versuchst, wieder glücklich zu werden, sollte ich – Gott bewahre – vor dir sterben. Okay?“
Es war zwar nicht ganz das, was sie wollte, aber mit dem Kompromiss konnte sie leben.
„Dad, ich bin wieder schwanger.“
Verwirrt runzelte Charlie seine Stirn. Wieder?
Aber statt seine Gedanken auszusprechen, behielt er sie wohl weislich für sich.
„Ich gratuliere. Im wievielten Monat?“
„Das sieht man doch. Im siebten. Wie konnte dir das entgehen?“
Plötzlich drehte sie sich zum Fenster und fing an, zu lachen.
„Jayson ist schon so groß. Wenn er so weiter wächst, wird er noch größer als sein Vater, nicht wahr?“
Charlie nickte einfach und setzte schnell ein Lächeln auf, bevor seine Tochter seinen mehr als verwirrten und besorgten Ausdruck sehen konnte.
Sein Blick wanderte aus dem gekippten Fenster, wo er nichts weiter als seinen Vorgarten sah.
„Du hast schon wieder vergessen zu tanken!“, meckerte Edward.
Bella strich sich gestresst durch die Haare. „Es tut mir leid. Aber ich hab heute Morgen den Wecker nicht gehört und war dann zu spät auf der Arbeit. Mein Chef hat mich deswegen Überstunden machen lassen und dann musste ich schnell einkaufen, bevor die Läden schließen. Ich hab das Tanken einfach vergessen.“ Mürrisch grummelte Edward eine unverständliche Antwort.
Plötzlich fiel ihr etwas ein. Hektisch griff sie nach ihrer Tasche und kramte wild darin herum.
„Was suchst du denn?“
Während sie weiter ihre Tasche durchforstete, antwortet sie ihm: „Ich… ich glaube, ich hab das Geschenk vergessen.“
„Das kann nicht dein Ernst sein.“
Edward klang eindeutig genervt.
„Wir müssen doch sowieso tanken, oder? Dann kaufen wir dort was Kleines und das richtige Geschenk geben wir ihr dann das nächste Mal.“
„Meinetwegen. Aber du erklärst ihr, warum wir zu spät und mit dem falschen Geschenk auftauchen.“
„Ja, ja.“
Die Fahrt bis zur Tankstelle verlief still.
„Ich tanke und komm gleich nach. Du kannst ja drin schonmal nachgucken, was sie da haben. Vielleicht irgend so ein kleiner Stoffbär. Sowas mögen Kinder doch, oder?“
Sie nickte, während sie sich schnell auf den Weg in die Tankstelle machte.
Ihr suchender Blick fand relativ schnell das Regal mit den Stofftieren. Sie seufzte. Es waren so viele. Und überteuert. Aber was erwartete sie auch an einer Tankstelle? Hätte sie doch einfach heute Morgen den blöden Wecker gehört. So viel zum Thema ‚schnurrender Wecker‘.
Sie hörte das Glöckchen an der Tür, drehte sich um und sah ihren Mann, der offensichtlich nach ihr suchte.
Sie kniete vor einem der Regale. Sie hatte die Auswahl immerhin schon auf drei kleine Stofftiere beschränkt. Die finale Wahl könnte dann Edward treffen. Schnell richtete sie sich auf.
Edward kam zu ihr, immer noch mit dem genervten Gesichtsausdruck. „Wir haben es eilig, Bella. Hast du etwas gefunden?“
Sie nickte und lächelte ihn kurz an. Sie zog ihn an seinem Arm auf die Knie und zeigte ihm die drei Stofftiere, die es in die engere Auswahl geschafft hatten.
Hinter ihnen läutete erneut die Türklingel.
Edward betrachtete die Stofftiere und zuckte mit den Schultern. Ja, er war mal wieder eine große Hilfe.
Bella wollte gerade nach dem blauen Teddy greifen, als sie einen Schuss hörte. Erschrocken und entsetzt sah sie zu Edward, der aber nicht sie, sondern den Tresen im Blick hatte.
Sie wollte gerade fragen, ob sie gerade wirklich einen Schuss gehört hatte, als Edward ihr schnell eine Hand auf den Mund presste. Mit der anderen Hand zog er sein Handy aus der Hosentasche und wählte den Notruf. Es dauerte nicht lang, bis jemand am anderen Ende sich meldete.
Edward atmete tief durch, bevor er schnell und möglichst leise antwortete: „Die Tankstelle am Highway wird gerade überfallen. Ein Schuss ist gefallen. Meine Frau und ich sitzen hier fest. Die Kerle sind noch hier-“
„Na, wen haben wir denn da?“, unterbrach ihn eine Stimme hinter sich.
Bellas vor Schreck geweitete Augen hatte er gar nicht gesehen. Er hatte sich viel mehr auf das Telefonat konzentriert. Als er hinter sich den einen maskierten Kerl sah, wusste er sofort, dass es für sie definitiv nicht gut aussah.
Schnell sprang er auf seine Füße und stellte sich vor Bella. „Lasst uns in Ruhe. Ihr habt das Geld. Verschwindet.“
Es war ein Versuch. Er wusste, dass es sehr wahrscheinlich sinnlos war, aber immerhin hatte er es versucht.
Der Kerl, der ihm gegenüber stand, hatte eine von diesen dämlichen Scream-Masken auf. Er hatte blondes Haar und war bestimmt einen Kopf größer als Edward.
„Na na. So spricht man nicht mit jemandem, der einem weitaus überlegen ist. Das könnte dich dein Leben kosten, Rotschopf.“, drohte ihm eine Stimme links von ihm.
Er drehte seinen Kopf und erblickte einen Kerl, der ebenfalls eine Maske trug. Er hatte braune Haare und war in etwa so groß wie Edward.
Verfluchte Scheiße, wie viele von denen waren denn in diesem Laden?
Er hätte wirklich besser aufpassen sollen. Bella stand inzwischen auf zittrigen Beinen hinter ihm.
Die Bewegung erinnerte die Kerle wieder daran, dass Bella noch da war. „Na Süße? Hast du das Großmaul hier nicht satt? Wir könnten viel Spaß zusammen haben.“, lachte der Braunhaarige und machte einen Schritt auf sie zu.
Sofort schob Edward sich in seinen Weg.
„Fass sie an und ich breche dir jeden einzelnen deiner erbärmlichen Knochen, verstanden?!“, zischte er. Bella sah entsetzt zu ihrem Mann. Sah er denn nicht, dass das alles nur noch schlimmer machte? Wenn er sie auch noch verärgerte, würde das hier schlimmer enden, als es sowieso schon der Fall war.
Sie griff nach seinem Arm und hielt ihn fest. „Edward, nicht.“, wimmerte sie leise.
Nicht leise genug, denn der Braunhaarige schenkte ihr sofort wieder seine Aufmerksamkeit. Sie hätte wetten können, dass er gerade ein dreckiges Grinsen auf dem Gesicht hatte.
„Siehst du, Rotschopf. Sie will mich. Also geh aus dem Weg.“ Er machte einen bedrohlichen Schritt auf Edward zu, der jedoch völlig unbeeindruckt stehen blieb und sich nur noch größer machte. All seine Muskeln waren bis zum Zerreißen gespannt.
„Weißt du, Nick,“, fing der Blonde an, „ich frage mich gerade, warum so ein hübsches Ding so einen Kerl hat. Ich meine, mehr als gutes Aussehen hat der doch eh nicht. Geld vielleicht noch, aber so wie die aussehen… eher unwahrscheinlich.“
Der andere nickte zustimmend und musterte Bella mit wachsamen Augen. „Was meinst du? Wenn er nicht mehr so ein Schönling ist, dann will sie ihn vielleicht nicht mehr. Oder was meinst du, Süße?“, richtete er das Wort wieder an Bella.
Doch an ihrer Stelle antwortet der Blonde wieder. „Ich denke, da könntest du Recht haben. Außerdem sollten wir ihn mal auf seinen Platz verweisen und sein Ego ein wenig stutzen. Ist ja unerträglich der Kerl.“
Noch bevor Edward oder Bella hätten reagieren können, hatte der Braunhaarige Edward an der Kehle gepackt und gegen das Regal hinter ihm gestoßen. Bella war erschrocken zur Seite gesprungen, während ihr zugleich ein Quieken entwichen war.
Der Blonde grinste belustigt und kam währenddessen langsam mit einem breiten, langen Jagdmesser bewaffnet auf Edward zu, der jedoch viel mehr damit beschäftigt war, sich aus dem Griff des anderen zu befreien.
Bella wollte dazwischen gehen, aber die Angst hatte sie dazu verdammt, stehen zu bleiben. Regungslos. Sie starrte entsetzt das Messer an, das sich langsam ihrem Mann näherte.
Sie wollte schreien, dazwischen gehen, ihren Mann irgendwie verteidigen, aber sie konnte nicht.
Als der Blonde das Messer an Edwards Wange ansetzte, sah er nochmal zu Bella, die ihm sehr zu seinem Vergnügen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. „Sieh genau hin. Das ist das letzte Mal, dass du ihn so sehen wirst.“, lachte er und drückte das Messer langsam in das Fleisch, nachdem er es für eine Sekunde betrachtete, wie ein Künstler die noch leere Leinwand.
Verflucht, schrei doch endlich! Tu etwas. Steh nicht so da!
Sie schrie sich selbst in Gedanken an, aber nichts passierte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und ihr Mund ausgetrocknet.
Bella blickte in die grünen Augen ihres geliebten Mannes, in denen sie die Angst und die Schmerzen sah, die er empfand, der gerade vor ihr verletzt wurde. Und sie konnte sich nichts vormachen. Es war wahrscheinlich, dass sie beide das nicht überleben würden. Die Täter wären dumm, wenn sie sie leben ließen.
Ihr Mund formte stumm die Worte ‚Nein‘ und ‚Stopp‘, aber niemand hörte sie.
Sie sah erstarrt zu, wie ihr Mann mit einem Messer verunstaltet wurde und um sein Leben kämpfte, und sie tat nichts. Seine Augen zeigten so viel Schmerz. Sie konnte die Schmerzensschreie hören, obwohl sie seinen Mund nie verließen. Irgendwann kniff er sie zusammen. Seine Kraft ließ deutlich nach, seine Bemühungen, sich aus dem Griff des Kerls zu befreien, ließen nach.
Er bekommt keine Luft!
Sie wollte so dringend schreien und die Kerle von ihm ablenken, aber sie stand wie angewurzelt an dieser verfluchten Stelle.
Als der Blonde mit dem Schnitt zufrieden war, machte er einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk. „Na wenn das mal nicht eine schöne Narbe gibt.“, lachte er. Der Braunhaarige stimmte mit ein.
Edwards Griff um dessen Hände wurde immer schwächer.
Sie hörte wieder das Läuten der Türglocke und starrte den Kerl an, der die Tankstelle betreten hatte. Er gehörte zweifelsohne zu den zwei Typen vor ihr.
„Die Bullen sind fast da. Ich hab grad die Sirenen draußen gehört. Wir müssen dringend verschwinden.“
Und schon war er wieder nach draußen gerannt.
„Schade.“, grummelte der Braunhaarige. „Immer dann wenn es gerade anfängt, Spaß zu machen.“
„Nick, wir haben keine Zeit für sowas. Mach sie kalt. Wir wollen keine Zeugen.“, raunte der Blonde und rannte ebenfalls raus.
Genannter zuckte kurz mit den Schultern. Während er Edward mit einer Hand weiterhin die Luft abschnürrte, zückte er mit der anderen eine Schusswaffe. Bella riss entsetzt ihre Augen auf. Nein! Nein! Nein! Beweg dich! Tu was! Um Gottes Willen, tu irgendetwas, verdammt nochmal!
Noch bevor sie auch nur hätte Luft holen können, um laut aufzuschreien, ertönte ein lauter Knall. Instinktiv hatte sie die Hände über ihre Ohren gelegt und die Augen zugekniffen.
Sie wartete auf den zweiten Schuss, der garantiert kommen musste. Aber sie hörte nichts. Sie öffnete zögerlich ihre Augen und starrte den Kerl vor sich an. Die Waffe war auf sie gerichtet. Es klickte, als er den Abzug drückte, und sie zuckte instinktiv zusammen.
„Glück gehabt, Schätzchen. Keine Kugel mehr übrig.“ Und damit verschwand der Kerl, als sie ihre Augen wieder öffnete.
Bellas Verstand fing langsam wieder an, zu funktionieren. Wenn der Kerl weg war, dann…
Sie sah zu dem Fleck, an dem Edward gerade eben noch gestanden hatte. Sie sah nichts, bis sie ihren Blick auf den Boden richtete. Dort lag er. In sich zusammengesunken.
Nein, nein, nein, nein, nein!
Schnell – sie musste beinahe hysterisch auflachen, weil ihr Körper ihr auf einmal wieder gehorchte – beugte sie sich vor ihm runter und ging in die Knie. Sie hörte sein Keuchen. Er lebt noch!
Vorsichtig nahm sie sein Gesicht in ihre Hände und hob es an. Das Blut lief seine Wange runter und seine Augen waren seltsam verschleiert. „Schatz? Edward? Sieh mich an, bitte.“
Sie sah, wie er sich bemühte, seinen Blick auf sie zu fokussieren, und, als ihre Blicke sich trafen, lächelte sie erleichtert. Wahrscheinlicher war, dass es einer Grimasse ähnelte, aber sie war so erleichtert. Für eine Sekunde vergaß sie, dass sie in dieser beschissenen Tankstelle saßen und ihr Mann gerade angeschossen worden war.
Sie atmete tief durch und strich ihm mit einer Hand über die unverletzte Wange. Draußen hörte sie die ersten Sirenen vor der Tankstelle ankommen.
„Be… Bella.“ Seine Stimme klang gebrochen und so leise. Zum ersten Mal spürte sie, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. „Shhh. Nicht reden.“
Er versuchte den Kopf zu schütteln, aber scheiterte. Er versuchte tief Luft zu holen, ächzte jedoch auf vor Schmerz. „Es tut so weh.“
Bella sah auf seine Brust und bereute es sofort wieder. Das ganze Blut machte ihren Kopf nur noch schwummriger. „Edward, du musst wach bleiben. Hörst du mich? Und nicht reden. Ja?“ Sie hatte keine Ahnung, ob das die richtigen Tipps waren. Sie hatte doch all ihr Wissen nur aus den wenig realitätsnahen TV-Serien.
Er lächelte schwach. „Ich liebe dich-“
Wütend fuhr sie ihm dazwischen: „Wenn Sie sich gerade von mir verabschieden wollen, Mr. Cullen, dann rede ich nie wieder ein Wort mit Ihnen. Verstanden?!“ Sie wollte nicht, dass er Lebewohl sagte. Er würde schließlich überleben. Dann wäre das total unsinnig, dann hätte er kostbare Energie für einen Abschied verschwendet, der sowieso nicht stattfinden würde.
„Aber es tut so weh.“
Die Tränen erschwerten ihr inzwischen die Sicht und sie kämpfte schwer damit, irgendwie Luft in ihre Lungen zu bekommen. „Du darfst mir hier nicht wegsterben, verstanden?! Was wäre dann mit mir? Denkst du denn nicht an mich?!“, schrie sie ihn verzweifelt an. „Wenn du mir hier wegstirbst, bin ich allein. Und das wegen einem beschissenen Plüschwecker, der schnurrt und den doch kein Arsch morgens ernst nehmen kann!“, schrie sie ihn hysterisch an.
„Schatz-“
„Nein! Ein Leben ohne dich ist ein Scheißleben. Ich will kein Scheißleben. Verdammt, ich will nicht! Also bleib gefälligst wach und spar deine Energie. Du musst überleben. Was soll ich denn ohne dich machen? Ich kann nicht ohne dich leben.“ Sie bemerkte nicht einmal, dass sie sich in Rage geredet hatte, bis sie die Türglocke hörte.
Panisch und in dem Glauben, es seien die Typen, schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und drückte ihn an sich. „Lasst ihn in Ruhe! Geht weg!“, schrie sie.
„Ma’am. Wir wollen Ihnen nur helfen.“
„Geht weg!“, schrie sie wieder. Sie presste ihre Lider zusammen und drückte ihren Mann an sich. „Gleich kommt Hilfe. Gleich kommt Hilfe.“, flüsterte sie immer wieder in sein Ohr.
Sie hörte seinen flachen Atem. „Gleich kommt jemand und hilft uns und du wirst leben. Verstanden?!“
„Ma’am. Wir wollen Ihrem Mann helfen. Sie müssen uns an ihn ranlassen.“
Als sie eine fremde Hand an ihrer Schulter spürte, schrie sie auf und wehrte sich so gut sie konnte. Schnell wurden aus der einen Hand vier Hände, die sie von ihrem Mann wegzogen. „Nein! Lasst mich los! Lasst ihn in Ruhe! Lasst ihn am Leben!“, schrie sie hysterisch.
Sie wurde aus der Tankstelle gezogen und spürte einen Stich in ihrem Arm. „Wir geben Ihnen etwas zur Beruhigung, Ma’am. Sie haben gerade einen Nervenzusammenbruch. Beruhigen Sie sich. Atmen Sie tief durch. Ihrem Mann wird geholfen.“
Sie weinte und kämpfte so lange gegen die Arme an, bis sie sah, wie zwei Typen eine Trage aus der Tankstelle schoben. Als Bella Edward darauf erblickte, konnte sie nichts mehr halten. Sie entriss den Typen ihre Arme und rannte zu ihm. Noch bevor einer der Sanitäter etwas sagen konnte, rief sie ihnen entgegen, dass sie seine Frau sei.
Auf der Fahrt zum Krankenhaus hielt sie seine Hand in ihrer und küsste immer wieder seine Knöchel. „Schatz, du schaffst das, ja? Du bist stark. Du schaffst das.“ Das wiederholte sie immer wieder, bis sie im Krankenhaus ankamen.
„Miss, Sie müssen hier warten.“
Sie starrte den Arzt wütend an. „Das ist mein Mann dort auf der Trage! Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich hier seelenruhig sitzen bleibe, oder?!“
„Sie dürfen aber nicht weiter mitkommen. Ich muss Sie bitten, hier zu warten. Wir werden Sie sofort informieren, sollte es Neuigkeiten geben.“
Sie blickte zu ihrem viel zu blassen Mann. „Was ist, wenn er stirbt?“, flüsterte sie erstickt. „Ich will bei ihm sein. Bitte! Trennen Sie mich nicht von ihm.“
Bedauernd schüttelte der Arzt seinen Kopf. „Warten Sie bitte hier.“
Eine Krankenschwester kam auf die beiden zu und legte eine Hand auf Bellas Schulter. „Sie erfahren sofort, sollte sich der Zustand Ihres Mannes verändern.“
Schnell wandte sich der Arzt um und weg waren sie.
Wieder wachte sie schweißgebadet auf. Das war bis jetzt der schlimmste Alptraum von allen. Weshalb hatte sie diese Alpträume? Das war doch nicht normal!
Da sie sich nicht weiter damit beschäftigen wollte, ließ sie ihren Blick durch das Zimmer schweifen, wo er letztlich auf dem Kalender landete. Heute war der Geburtstag ihres kleinen Neffen.
Edward würde sie dort treffen. Er hatte an diesem Morgen einen Termin auf dem Arbeitsamt. Vielleicht fand er endlich einen Job? Sie konnte es nur hoffen.
Als sie vor Alices Haustür stand, wusste sie nicht ganz genau, wie sie sich ihrer Schwägerin gegenüber verhalten sollte. Nach ihrem letzten Gespräch fühlte sie sich ein wenig unwohl, jetzt einfach hier so aufzutauchen.
Ihre Hände verkrampften sich um das Geschenk. Sie wusste schon gar nicht mehr, was in dem mit grünem Geschenkpapier eingepackten Päckchen war. Edward und sie hatten es schon vor langer Zeit gekauft, weil sie wussten, dass es ihrem Neffen gefallen würde.
Sie löste eine Hand von dem Geschenk und streckte sie etwas zittrig aus, um zu klingeln. Kaum dass sie den Knopf gedrückt hatte, wurde bereits die Tür aufgerissen.
Vor ihr stand ihr Neffe. Er war seit dem letzten Besuch ziemlich gewachsen.
Sie lächelte ihn an und gratulierte ihm zu seinem dritten Geburtstag.
Der Junge sah sie erst etwas verwirrt an, bevor er seine Augen verdrehte und anfing zu lachen. „Aber, Tante Bella, ich bin doch jetzt vier!“
Die Feier war bereits seit einer Stunde voll im Gange. Überall wuselten Kinder herum, während sich die Erwachsenen unterhielten.
Ungeduldig wartete Bella darauf, dass ihr Mann endlich auftauchte. Sie sah bestimmt schon zum vierten Mal auf die Uhr, innerhalb von einer viertel Stunde. Wo blieb er bloß?
Alice verkündete gerade, dass es Zeit wurde, die Geschenke auszupacken. Edward würde alles verpassen. Sie seufzte und schüttelte missmutig den Kopf.
Als das Geburtstagskind endlich bei ihrem Geschenk ankam, wartete sie gespannt darauf, was er davon halten würde. Er riss ungeduldig das Geschenkpapier runter und starrte für einen Moment perplex das Geschenk an. Es war eine große Spielfigur. Was für eine, wusste Bella nicht genau. Das hatte sie Edward überlassen, der von Alice die genaue Anweisung erhalten hatte.
Der Junge verzog kurz das Gesicht. „Oh, Tante Bella. Danke, aber ich mag die Serie doch schon lange nicht mehr.“, beschwerte er sich ein wenig kleinlaut.
Ihr rutschte kurz das Herz in die Hose. Aber Alice hatte doch…
Sie bekam Kopfschmerzen, aber versuchte es nicht durchscheinen zu lassen. „Tut mir leid, Großer. Dann habe ich mich wohl verhört. Ich tausch es einfach um, ja? Onkel Edward hat sicher noch den Kassenzettel.“, versuchte sie die Situation zu retten.
Aber sie machte es nur noch schlimmer, so wie es schien. Plötzlich fing der Junge an zu weinen.
Was war denn jetzt los? Sie verstand gar nichts mehr.
Hilfesuchend wandte sie sich Alice zu, deren Augen allein auf ihren Sohn gerichtet waren.
„Alice, was…“
Plötzlich fiel ihr wieder alles ein.
„Ich… ich glaube, ich habe das Geschenk vergessen.“ - „Das kann nicht dein Ernst sein.“
Die Fahrt zur Tankstelle.
Der blaue Teddy.
„Die Tankstelle am Highway wird gerade überfallen. Ein Schuss ist gefallen. Meine Frau und ich sitzen hier fest. Die Kerle sind noch hier-“ – „Na, wen haben wir denn da?“
„Was meinst du? Wenn er nicht mehr so ein Schönling ist, dann will sie ihn vielleicht mehr. Oder was meinst du, Süße?“ – „Ich denke, da könntest du Recht haben. Außerdem sollten wir ihn mal auf seinen Platz verweisen und sein Ego ein wenig stutzen. Ist ja unerträglich der Kerl.“
Das breite, lange Jagdmesser.
Seine grünen Augen. Die Angst. Der Schmerz.
Die Sirenen.
Der laute Knall.
Nein, nein, nein, nein, nein!
„Ich liebe dich.“
„Ma’am. Wir wollen Ihnen nur helfen.“
„Was ist, wenn er stirbt?“ – „Sie erfahren sofort, sollte sich der Zustand Ihres Mannes verändern.“
„Nein, Officer! Wissen Sie, ich habe nicht wirklich darauf geachtete, wer gerade meinen Mann erst gequält und dann umgebracht hat. Wieso sollte ich auch?!“ – „Miss-“ – „Misses. Gehört?! Misses. Nicht Miss. Mein Name ist Mrs. Isabella Marie Cullen.“
„Edward?!“ – „Mrs. Cullen, Ihr Mann kann Ihnen nicht mehr antworten.“
„Fassen Sie mich nicht an! Bringen Sie mich zu meinem Mann! Ich will zu meinem Mann! Sofort! Edward!“
Es war kein Traum gewesen.
Aber wie hatte sie ihn dann im Bad sehen können? Oder im Bett? Als er sie sogar gehalten hatte!
Das konnte nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein. Das hier war der verfluchte Alptraum!
Sie schüttelte abwesend den Kopf. Die Welt, in der sie lebte, war gerade erneut zerbrochen.
Als sie Arme spürte, die sie umschlossen, hoffte sie für einen kurzen Moment, wieder einfach aufzuwachen. Aber als sie tief Luft holte, war es der falsche Duft, der ihre Sinne erreichte. Es war nur Alice.
Er war nicht hier. Er tröstete sie nicht. Er konnte es gar nicht mehr.
„Alice, er ist tot.“, wimmerte sie fast unverständlich.
Alice hielt sie fest, während ihr selbst genauso wie ihrer Schwägerin die Tränen runterliefen. „Ich weiß, Bella, ich weiß.“