Bohr, Niels (dän. Physiker 1885-1962):
"Wir sind gleichzeitig Zuschauer und Schauspieler im großen Drama des Seins."
10:03 Uhr
Jasper betrat die Bücherei. Die Waffe, mit der er schon so viele Menschen verletzt hatte, hielt er in seiner rechten Hand. Er hatte einen Rucksack auf seinem Rücken, wahrscheinlich hatte er darin die ganze Munition verstaut.
"Alle aufstehen! Sofort! Ich will eure Scheißgesichter sehen!", schrie er wütend.
Ich sah panisch zu Bella, die neben mir unter einem der zahlreichen Tische lag. Ihre Augen waren riesig und ihr liefen die Tränen über ihre Wangen. Hätte ich einen Spiegel zu diesem Zeitpunkt gehabt, dann hätte ich gesehen, dass auch ich weinte, aber ich war so geschockt, dass ich es überhaupt nicht mitbekam.
Mein Bruder stand dort vorne mit einer Schusswaffe und hatte bereits mehrere Menschen damit mindestens angeschossen und schwer verletzt, wenn nicht sogar erschossen. Und ich wusste einfach nicht wieso. Mein Bruder war kein gewaltsamer Mensch. Mein Bruder war ein ruhiger, ausgeglichener, äußerst intelligenter Mensch. Also, wieso stand er dort vorne und erschoss Menschen, als sei das alles keine große Sache?
Das dort vorne konnte nicht mein Bruder sein.
"Jetzt steht verdammt nochmal auf oder ich erschieße euch alle!"
Die ersten rappelten sich auf. Ich bewunderte ihren Mut. Er hatte doch eine Waffe.
"ALLE!"
Bella und ich standen langsam auf. Ich spürte, wie mir die Knie zitterten. Bella zitterte am ganzen Körper und schluchzte. Ich hätte sie in den Arm genommen, wenn ich nicht selbst Angst gehabt hätte, dass Jasper dann auf uns schießen würde.
Ich richtete meinen Blick langsam nach vorne. Dort stand er.
Ich erkannte ihn nicht wieder. Seine Haare waren durcheinander, sein Hemd hing aus seiner Hose und seine Schuhe waren total dreckig. Dabei war er sonst immer so darauf aus, sauber und ordentlich zu wirken. Aber was mir wirklich Angst einjagte, war sein Blick.
Ich hatte ihn noch nie so hasserfüllt gesehen. Das war nicht mein Bruder. Was war nur passiert?
Dann ertönte ein Schuss und einer der Footballspieler ging ächzend zu Boden. Die Mädchen schrieen auf. Bella sprang mir beinahe in die Arme und klammerte sich an mich. Schnell legte ich meine Arme um sie und zog sie so nah es nur ging an mich heran.
Jasper war die Bewegung nicht entgangen und richtete seine Augen auf uns. Erst schien er mich nicht zu erkennen und fürchtete schon, dass er einfach auf uns schießen würde, aber dann sah er mich für einen Augenblick so an wie sonst, wie mein großer Bruder, wenn er sich Sorgen machte.
"Ich hab dir doch geschrieben, du sollst nicht kommen. Verdammt, Edward! Wenn er dich erwischt, bist du tot!", schrie er mich plötzlich an.
Ich sah ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Wenn wer kommt? Der einzige mit einer Waffe war mein Bruder, der schlagartig so aussah, als wäre er derjenige, auf den die Waffe gerichtet war.
"Du musst hier verschwinden! Los! Du und Bella. Ihr müsst hier weg. Wenn er dich findet, bringt er dich um.", erklärte Jasper hektisch und fuchtelte wild mit der Waffe rum. Bella wimmerte leise und presste sich an mich.
Was war hier los?
"Jasper, wovon redest du? Wer soll mich umbringen?", fragte ich. Ich musste all meinen Mut zusammennehmen, um nicht vor meinem eigenen Bruder zurückzuschrecken, der immer panischer zu werden schien.
"James! Wenn er dich findet, dann bringt er dich um. Edward, los verschwinde!", rief er erneut.
James? Unser Vater?
Was zum Teufel?